Ljubljana und was Jože Plečnik daraus gemacht hat

Ljubljana, wie es heute heißt, oder Laibach, wie es lange hieß und im deutschen Sprachraum immer noch genannt wird, war lange eine Kleinstadt im großen Habsburgerreich. Seit dem Mittelalter um genau zu sein. Hauptstadt war es zwischendurch immer wieder. So ab 1335 Hauptstadt des habsburgischen Herzogtums Krain, mit einem kurzen Intermezzo als Hauptstadt der Illyrischen Provinzen Frankreichs von 1809-1813. Nach dem Zerfall des Habsburgerreichs wurde es Teil des neugegründeten Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen, 1929 Hauptstadt der Drau-Banschaft im Königreich Jugoslawien. Nach der italienischen Annexion und deutschen Besetzung im 2. Weltkrieg wurde Ljubljana 1945 Hauptstadt der Volksrepublik Slowenien in der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien und blieb es auch nach der Unabhängigkeit Sloweniens 1991.

Es war also jahrhundertelang eine Provinzhauptstadt. Im besten Sinne des Wortes. Abgesehen von der Burg gab es anscheinend keine wesentlichen Monumentalbauten. Auch keine riesigen Plätze. Ein paar größere Kirchen, das Rathaus, ein paar Palais, das war es dann im wesentlichen. Klein und gemütlich, mittendurch ein Fluss. Der so ähnlich heißt wie die Stadt, nämlich Ljubljanica. Und der in einer Interpretation des Stadtnamens in der lateinischen Form Aluviana den slowenischen Namen (1146 erstmals Luwigana) prägte und in der deutschen Form erstmals 1112 als Leibach, später Laibach der Stadt ihren Namen gab. Mitte des 18. Jahrhunderts hatte die Stadt noch keine 10.000 Einwohner. Heute ist Ljubljana mit um die 294.000 Einwohnern ähnlich groß wie Graz. Und wie Graz verkehrstechnisch seit 1849 an der österreichischen Südbahn Wien-Laibach bzw. ab 1857 Wien-Triest gelegen.

Mestni trg mit Rathaus unterhalb des Burgbergs im Stadtteil Stara Ljubljana (Alt Laibach)

Auch vom baulichen her erinnert Ljubljana im unterhalb des Burgbergs gelegenen ältesten Teil der Altstadt an Graz und andere österreichische ehemalige Provinzhauptstädte. Hier in Stara Ljubljana hat die Bauwerks- und Platzgestaltung ein überwiegend barockes Gepräge. Sowieso dürfte wenig mittelalterliche Bausubstanz das erste große verzeichnete Erdbeben von 1511 überstanden haben. Ein weiteres großes Erdbeben sorgte dann 1895 dafür, dass man sich zu einem Wiederaufbau in modernen Formen bekannte. Was sich in unzähligen das Stadtbild durchziehenden Jugendstilbauten manifestierte. Im Stadtbezirk Center, der sich aus Stara Ljubljana und Gradišče zusammensetzt, vor allem im Teil Gradišče auf der anderen Flussseite.

Jugendstilgebäude nahe und am Prešerov trg

Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Zerfall der alten Ordnungen überall und hier speziell dem Zerfall der österreichisch-ungarischen Monarchie führte die Neuordnung zur Schaffung neuer Nationalstaaten und einem neuen Verständnis. Auch Ljubljana sollte nun in diesem veränderten gesellschaftlichen Kontext von einer Provinzstadt in die Hauptstadt der slowenischen Nation verwandelt werden.

Auftritt Jože Plečnik. Nachdem er in Wien (u.a. Stadtbahn als Mitarbeiter Otto Wagners, Zacherlhaus, Heiliggeistkirche) und Prag (Burg, vor allem Burggarten) seine gar nicht so kleinen gestalterischen Spuren hinterlassen hatte, kehrte der 1872 in Ljubljana gebürtige 1921 wieder in seine Geburtsstadt zurück, 1934 dann endgültig. Und prägte in seiner Funktion als Planer ebenso wie als Professor an der neugegründeten Architektur-Fakultät die Architektur und Gestalt der Stadt und nicht nur dieser über Jahrzehnte, weit über seinen Tod 1957 hinaus.

Büste Plečniks im Hof des Veranstaltungszentrums Križanke

Haussmann in Paris fällt mir ein, sonst wüsste ich ad hoc ohne Recherche keine Stadt, wo ein Planer derart gestaltend in die gewachsene Struktur eingreifen konnte wie Jože Plečnik in Ljubljana. Planstädte wie Palmanova, Karlsruhe, Mannheim, Bad Karlshafen, die Neustadt von Erlangen, um ein paar europäische zu nennen, von Anfang an von namentlich selten aufscheinenden Planern im Auftrag eines zumeist sich selbst ein Denkmal setzen wollenden Stadtherrn auf dem Reissbrett entworfen, zählen nicht. Und im Gegensatz zu Paris, wo große Teile der Stadt für das neue Konzept platt gemacht wurden, griff Plečnik nur kleinräumig und fast schon dezent in die gewachsene Struktur ein. Und doch in einem Ausmaß, dass man zu recht von Plečniks Ljubljana sprechen kann. So lautet der Titel der seit 2021 bestehenden Unesco Weltkulturerbestätte in der UNESCO World Heritage Convention List dann auch The works of Jože Plečnik in Ljubljana – Human Centred Urban Design, zu Deutsch Die Werke von Jože Plečnik in Ljubljana – am Menschen orientierte Stadtgestaltung.

Plečniks über die Jahre und Jahrzehnte seines Wirkens nach und nach umgesetztes städtebauliches Konzept sah grob zwei Achsen vor. Die Landachse und die Wasserachse. Diese Achsen sind nicht geradlinig, sondern folgen den gewachsenen und topographischen Strukturen. Außerdem gibt es die eine oder andere Querachse, so dass man partiell eher von einem Netz als von einer Achse sprechen könnte. Entlang dieser Achsen reihen sich von ihm geplante Gebäude ebenso wie städtebauliche Interventionen und Gestaltungen. Auch die als Weltkulturerbe verzeichneten Werke sind in Land- und Wasserachse unterteilt, zusätzlich noch der Friedhof Žale und zwei Kirchen am Stadtrand. In der noch bis Februar 2023 laufenden Sonderausstellung im Stadtmuseum wurde die Landachse der Weltkulturerbestätte als Kulturachse bezeichnet, und überhaupt war von drei Abschnitten die Rede. Die dritte Achse erstreckt sich von Šance auf dem Burgberg über die Drei Brücken bis zum Tivoli Park. (Zur Auflockerung zwischendurch stellt euch bitte den Moment vor, als mir aufging, dass der Name des von Plečnik umgestalteten Befestigungswerks auf dem Burgberg, Šance, aufgrund des v auf dem S wie Schanze ausgesprochen wird)

Die Wasserachse und die beiden Landachsen für die Ausstellung im Stadtmuseum in ein Luftbild montiert.

Die Wasserachse – vom Trnovo Ufer über den Gradaščica Bach die Ufer der Ljubljanica entlang über die Drei Brücken und den Markt bis zur Schleuse

Die Landachse 1 – die Kulturachse von seinem eigenen Haus über die Trnovo Brücke entlang Vegova ulica über Križanke und die National- und Universitätsbibliothek bis zum Kongresni trg und Zvezda Park

Die Landachse 2 – vom Burgberg mit Šance über die Drei Brücken zu Tivoli Park und Tivoli Haus und weiter bis Šiška

Und das ist noch nicht alles. Über die Stadt verstreut gibt es viele weitere bauliche Interventionen, sei es als Neubauten, Umbauten, Umgestaltungen, was auch immer. Im Buch „Plečnik´s Architecture in Ljubljana“ (Angaben unten) sind alleine in Ljubljana 139 Werke verzeichnet. Von denen laut einer Aufzählung im Buch lediglich 14 Werke zur oben erwähnten Weltkulturerbestätte gehören.

Einiges davon haben wir gesehen. Um nicht zu sagen sogar recht viel. Um diesen Beitrag hier jedoch nicht in einen Roman ausarten zu lassen, wurde das Thema „Plečniks Ljubljana“ in mehrere Themenblöcke analog der Achsen aufgeteilt. Sobald ein Beitrag verfügbar ist, werden die oben genannten Achsen mit einem Link hinterlegt. Und in diesen Beiträgen gibt es dann weniger Text und mehr Bilder. Versprochen 😉

Noch ein paar Informationen zu Jože Plečnik, die durchaus interessant sind und wie ich finde zu einem Verständnis seiner Gestaltung beitragen:

  • Plečnik erhielt nach erfolgreichem Abschluss des Architekturstudiums ein Reisestipendium für ein Jahr und war quasi auf Grand Tour durch Italien und Frankreich. Nach etwa zwei Dritteln musste er die Reise aufgrund des Todes seiner Mutter jedoch abbrechen. Während der Reise studierte er vertieft die Antike, dies hatte großen Einfluss auf sein späteres Werk.
  • Plečnik war in seinen letzten Wiener Jahren auch Mitglied der Secession und der eher inovativen Architektur zuzurechnen (Bsp. Heiliggeistkirche Wien erster Eisenbetonbau Österreichs). Zunehmend wurde dann die Vertiefung mit der Antike und deren Neuinterpretation prägend für sein Werk
  • Um Kosten zu sparen verwendete er des öfteren an anderer Stelle abgetragene Teile wieder (z.B. Gerbertreppe). Es kam auch sehr oft industriell gefertigte Massenware zum Einsatz, wie etwa Betonrohre und -rinnen, die er unter anderem zu Balustraden und Abdeckungen umfunktionierte.
  • Plečnik war tiefreligiös und gestaltete bei Kirchen oftmals alles bis hin zur Ausstattung und liturgischen Geräten.
  • Plečnik war Zeitgenosse des Bauhaus und der Moderne. Sein Stil entwickelte sich jedoch in eine gänzlich andere Richtung. Irgendwo, ich weiß nicht mehr wo, habe ich gelesen, Plečnik wäre Vorläufer der Postmoderne gewesen.
Leuchte in Form einer Säule mit ionischem Kapitel auf der Schusterbrücke

Interessant ist auch, dass Plečnik für seine Projekte anscheinend immer nur Konzeptpläne vorlegte. Oftmals von seinen Studenten gezeichnet. Die Konstruktionspläne wurden vom Stadtplanungsamt erstellt. Plečnik hatte keine Lizenz als Architekt. Lohn erhielt er anscheinend auch nicht für seine Planungen. (Quelle: das oben genannte Buch). Das würde bedeuten dass er nur von seinen Einkünften als Architektur-Professor gelebt hat. Die sicher mehr als ausreichend waren für seinen Lebensstil. Jedoch kann ich mir nicht vorstellen, dass seine Entwurfsarbeit so gar nicht finanziell honoriert wurde.

An Plečniks Geburtshaus erinnert nur mehr eine Säule. Das Haus im Stadtteil Trnovo, in dem er ab 1921 bis zu seinem Tod 1957 lebte und das er nach seinen Vorstellungen umgestaltete, ist jedoch erhalten und wird als Museum geführt. Das wir natürlich besucht haben. Haus und Garten haben uns so gut gefallen, dass es auch dazu einen eigenen Beitrag gibt, der hier zu finden ist.

Zitat Plečniks aus der Ausstellung im Stadtmuseum

Quellen: Stadtgeschichte hauptsächlich Wikipedia, zu Plečnik hauptsächlich die Ausstellungen im Stadtmuseum und Plečnik Haus sowie Hrausky, Andrej: Plečnik´s Architecture in Ljubljana, 2nd amended Edition, Ljubljana 2022, ISBN: 9789619564011

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