Nach Wien einiger Ausstellungen wegen

Gemma Wien, Ausstellungen schauen. Nicht, dass wir in Graz, immerhin die zweitgrößte Stadt Österreichs, nicht auch die eine oder andere interessante Ausstellung hätten. Gerade auch von Ende September bis Mitte Oktober, wenn das Kunst- und Avantgardefestival Steirischer Herbst wieder einige Events vom Feinsten aufbietet. Aber wie das eben so ist, für die eigene Stadt nimmt man sich weniger Zeit. Lieber fährt man woanders hin und nutzt die Zeit dort für Ausstellungen und noch so einiges mehr. Wobei, auch wenn ich die Hauptausstellung zum Steirischen Herbst erst noch sehen muss (zum Glück läuft sie länger als das bereits beendete Festival), die eine oder andere Ausstellung habe ich mir auch in Graz angesehen. Und von meinem diesjährigen persönlichen Highlight, der Ausstellung Sanctuary von Azra Akšamija im Kunsthaus, habe ich auch bereits hier berichtet.

Wir sind auch nicht wegen der Ausstellungen nach Wien gefahren. Eher war es so, dass der Beste in diesem Jahr noch einige Urlaubstage verbrauchen musste. Ich hatte auch Zeit, war aber eher auf das Inland beschränkt. Also sind wir zum dritten Mal heuer nach Wien gefahren. Und haben damit unsere gemeinsame Wienbilanz etwa verdreifacht. Allzu oft waren wir in den letzten 29 Jahren nämlich nicht in Wien. Aber das ändert sich gerade, irgendwie kommt uns Wien näher. Und der Umstand, dass wir die Wohnung eines Freundes benutzen dürfen, trägt natürlich auch dazu bei. Und was macht man, wenn man plant nach Wien zu fahren? Unsereins jedenfalls schaut dann mal, was denn an Ausstellungen in dem Zeitraum gerade geboten wird. Und da fand sich für die dritte Oktoberwoche doch so einiges. Mit dem Endergebnis, dass wir den Wienaufenthalt quasi um ein paar Ausstellungen und Museen herum geplant haben. Wir haben also folgendes gesehen (in unserer chronologischen Reihenfolge):

Wien Museum

Ende März sind wir bereits davor gestanden, aber waren nicht drinnen. Nun wollten wir die Erweiterung des Wien Museums endlich auch von innen sehen. Leider war die Sonderschau Secessionen gerade 2 Tage zuvor zu Ende gegangen. Die hätte mich auch interessiert. Aber auch die permanente Ausstellung zu Wien selbst kannten wir ja auch noch nicht. Sehr interessant, sehr unterhaltsam.

Das Gebäude aus den 1950er Jahren wurde an- und umgebaut. Und aufgestockt. In der großen Halle nimmt man die Aufstockung auch durch das in die Halle ragende schwebende Stiegenhaus wahr. Und dem riesigen Modell des Stephansdoms kann man aufs Dach schauen. Im darunterliegenden Stockwerk kann man von unten ins Innere des Modells schauen. Sehr beliebt ist außerdem der große Wal, der jahrzehntelang das Gasthaus „Zum Walfisch“ im Wiener Prater zierte. Wasserfontänen bläst er nun nicht mehr in die Luft, aber er wurde sorgfältig restauriert und fand nun seinen Altersruhesitz in der großen Halle. Die Webseite des Wien Museum bietet ein kurzes, aber sehr informatives Filmchen zum Wal und seiner Rettung.

Auch sonst gibt es viel zu sehen in der Dauerausstellung, die sich von vorrömischer Zeit bis ins Heute zieht. Und auch das ikonische Werbeplakat von Aktion Mitmensch aus den 1970ern fand Eingang in die Sammlung. Das Thema ist aktueller denn je, habe ich so das Gefühl.

Kunsthistorisches Museum: Rembrandt – Hoogstraten

In der Beschreibung zur Ausstellung hieß es, dass es mittels der gezeigten Werke um Farbe und Illusion im Oevre Rembrandts und seines erfolgreichsten Schülers Hoogstraten ginge. Damit war ich dann doch zu locken. Und wir wurden nicht enttäuscht. Eine sehr feine Schau, die auch einige Techniken und Blickwinkel ausgewählter Bilder verständlich erklärt. Und wenn man schon mal im KHM ist, schaut man sich auch die im danebenliegenden Saal gezeigten Wimmelbilder, Verzeihung, die Werke Bruegels an. Und natürlich Dürer und Cranach.

Wie gut dass wir im Anschluss durch den Burghof gekommen sind, so konnte ich ein aktuelles Bild des Burghofs zum Vergleich machen. Allerdings nicht aus dem Schlafzimmerfenster des damaligen Kaisers.

Albertina

Dank Susanne mamimade wussten wir, dass die Albertina mittwochs und freitags bis 21 Uhr geöffent hat, also haben wir im Anschluss ans KHM auch gleich noch die Albertina aufgesucht. Naja, nicht ganz gleich, einen Kaffee mit dem besten aller ehemaligen Chefs und einen Besuch im Bookshop des Museumsquartiers später dann.

Das hochherrschaftliche Foyer und Stiegenhaus animiert offensichtlich nicht nur mich zum fotografieren.

Marc Chagall

Marc Chagall ist einer jener Künstler, die mich bereits als Schülerin berührt haben. Das erste Mal ein Bild in Echt gesehen und nicht nur als Reproduktion in einem Buch habe ich im Februar 1989 in einer Ausstellung der Sammlung Guggenheim in der Neuen Nationalgalerie in Berlin. Es war das Bild „Der Soldat trinkt“, das ich dann auch in der Ausstellung in der Albertina wiedergesehen habe. Neben vielen anderen Werken. Überwiegend bunt, aber auch das Werk, das mich schon immer am meisten berührt hat, das viel unbuntere „Krieg“ war zu sehen. Auch wenn Chagall inzwischen nur noch unter ferner liefen bei meinen künstlerischen Vorlieben mitmischt, war es doch schön so viele dieser so bunten und gleichzeitig so melancholischen Bilder zu sehen.

Die Prunkräume und darin versteckt ausgewählte Werke der Graphischen Sammlung

Die Albertina war ursprünglich ein Palais. Bzw. ist es strenggenommen immer noch. Und so gibt es im Raumkontext der Albertina auch noch einige der Prunkräume der hochgestellten adeligen Bewohner zu sehen. Schließlich war es lange Residenz einiger Erzherzöge und Erzherzoginnen. Und ich habe dann endlich auch entdeckt, wo die Graphiken von Albrecht Dürer gezeigt werden, die die Albertina in ihrer Sammlung hat. Neben anderen Kunstwerken mehrerer Epochen, die die Prunkräume zieren.

Permanent: Monet bis Picasso – Die Sammlung Batliner

Von all den Werken in dieser an beeindruckenden Werken nicht armen Sammlung habe ich mich hier für 2 Werke von Ernst Ludwig Kirchner entschieden. 2 Werke aus unterschiedlichen Perioden seines Schaffens, durch die Farbklammer zusammengehalten. Seit wir in Davos im Kirchner Museum waren, bin ich immer wieder fasziniert von den von ihm kombinierten Farben.

Robert Longo

Mein persönliches Ausstellungshighlight. Ein Künstler, der mir zuvor unbekannt war. Was aussieht wie riesige Fotografien in Schwarz-Weiß, sind in Wirklichkeit Kohlezeichnungen. Beeindruckend und überwältigend.

Museum für Angewandte Kunst (MAK)

Donnerstag war dann MAK-Tag. Obwohl die beiden großen Säle für Sonderausstellungen gerade nicht bespielt wurden, gab es genug kleinere Ausstellungen zu sehen, die neben den Dauerausstellungen interessant waren.

Out Now – 100x Österreichisches Design für das 21. Jahrhundert

Ein wirklich guter Überblick über aktuelles österreichisches Design. Einiges kannten wir schon, vieles noch nicht. Alles in allem eine sehr interessante Ausstellung.

Elemente – Adam Štěchs Blick auf architektonische Details

Wer mich kennt, weiß, dass das eine Ausstellung genau für mich war. Offensichtlich bin ich nicht alleine mit meiner Dokumentation von Türen, Portalen, Details, etc. Und es gibt Leute, die betreiben das noch viel offensiver. Adam Štěch ist so jemand. Als Architekturhistoriker macht er das sogar von Berufs wegen, aber sicher nicht nur. Die Vielzahl der gezeigten Fotos war überwältigend. Und ihr könnt mir glauben, ich habe mir jedes angesehen. Ab und zu festgestellt, dass es vom fotografierten Objekt auch in meiner Sammlung ein Foto gibt. Einmal den Besten gefragt „Wo in dem Gebäude war das? Wir waren doch auch dort, aber an das Objekt kann ich mich nicht erinnern“ (Hiša Plečnik, Ljubljana). Einfach nur begeistert.

Permanente Schausammlung: Wien 1900

Schon beeindruckend, jedes Mal wieder. Auch wenn ich es schade fand, dass der Frauenanteil bei den ausgestellten Werken äußerst gering war. Nicht beim Sujet, bei den Künstler*innen. Schon klar, dass vor allem die großen Namen ziehen und deshalb auch ausgestellt werden. Und die weiblichen Mitglieder der Wiener Werkstätte der damaligen Zeit entsprechend auch nicht viele Chancen hatten groß und bekannt zu werden. Trotzdem schwach, dass neben dem großen Fries von Margaret MacDonald Machintosh und der ausgestellten Zimmereinrichtung von Margerete Schütte-Lihotzky gerade mal ein einziges Kriegsglas von Felice oder Kitty Rix in einer Vitrine zu sehen war. Vermutlich habe ich aber auch nicht aufmerksam genug geschaut. Denn eigentlich hat das MAK in den letzten Jahren immer wieder den Fokus auch auf Frauen gelegt, sei es 2021 mit der Ausstellung „Die Frauen der Wiener Werkstätte“ oder auch erst dieses Jahr mit einer Einzelausstellung zur Wiener Werkstätte Künstlerin Felice Rix-Ueno. Letztere habe ich vergangenen März gesehen und gefiel mir gut.

Iconic Auböck – Eine Werkstätte formt den österreichischen Designbegriff

Zu unserem Glück wurde die eigentlich bis 13.10.2024 vorgesehene Schau bis Jänner 2025 verlängert.

Permanent: MAK Design Lab

Bei jedem Besuch des MAK statten wir auch dem Design Lab im Untergeschoss einen Besuch ab. Die Fülle der ausgestellten Projekte und innovativen Ideen führt doch jedesmal wieder zu neuen Entdeckungen neben altbekannten aber gerne wiedergesehenen Stücken wie dem Nachbau der Frankfurter Küche von Margarete Schütte-Lihotzky.

Direkt neben der Frankfurter Küche und als Vergleich für den Wandel, der mit der Frankfurter Küche kam, zeigt dieses altdeutsche Puppenhaus eine gut ausgestattete Küche, wie sie über Jahrhunderte in bessergestellten Haushalten aussah. Ich finde ja das gesamte Puppenhaus absolut faszinierend.
Nicht im MAK, sondern im Wien Museum kann man diese Puppenküche sehen. Weil sie so gut zum Thema passt, zeige ich sie hier. Sie ist einer Küche im Wiener Gemeindebau der 1930er Jahre nachempfunden. Also die gleiche Zeit wie die Frankfurter Küche. Aber welch ein Unterschied.

Museumsquartier

Ein Besuch in Wien ist natürlich nichts ohne einen Besuch des Museumsquartiers. Wir waren sogar zweimal dort, einmal auf einen Kaffee und einen Besuch des gut sortierten Fachbuchgeschäfts und dann nochmal am letzten Tag. Aber wie bisher jedesmal haben wir nur das Museumsquartier selbst besucht. In den beiden großen Museen waren wir bisher so gut wie gar nicht.

MUMOK: Mapping the 60s

Sehen wollte ich die Ausstellung Mapping the 60’s, weil unter anderem auch Werke von Corita Kent gezeigt werden sollen. Auf die ich erst durch den Beitrag aus Astrids großartiger Great Women Reihe aufmerksam wurde. Auch die Tageszeitung Der Standard hat heuer in der Serie „Vorgerückt“ ein Porträt von ihr gebracht. Leider musste bei unserem ambitionierten Plan dann natürlich das eine oder andere durch den Rost fallen. Und die Ausstellung zu den 1960er Jahren und dem Wandel der Kunst in diesem Zeitraum war leider diejenige, die sich beim besten Willen nicht mehr ausging. Schade. Die Schau läuft noch bis 01.02.2026 (ja, ich habe mich nicht beim Jahr verschaut), wir haben also noch eine gute Chance, die Ausstellung doch noch zu sehen.

Re:pair Festival Wien: <Touch & Feel – Qualität in der Mode> + <Außen hui, innen pfui – das Innenleben von Polstermöbeln>

Alles ging sich dann doch nicht mehr aus. Aber immerhin haben wir es am letzten Tag in Wien nach viel Herumschlendern in der Innenstadt nochmal ins Museumsquartier geschafft. Und dort dann doch noch die beiden Ausstellungen des Re:pair Festivel Wien angefunden. Die waren überschaubar klein und deshalb auch wirklich schnell gesehen. Danach war aber wirklich Ende mit den Ausstellungen.

Ein Abend und 4 Tage Wien, und an allen Tagen außer dem Anreiseabend haben wir uns mindestens eine Ausstellung angesehen. Und trotzdem noch einiges drumherum auch gesehen und gemacht. Zum Beispiel einen wunderbaren Spaziergang mit Susanne mamimade. Fotos und Themen hätte ich genug für etliche Beiträge, aber die Zeit, die Zeit. Ich werde mich bemühen, euch doch noch an dem einen oder anderen teilhaben zu lassen. Bis demnächst also.

4 Kommentare zu „Nach Wien einiger Ausstellungen wegen“

  1. Mir raucht gerade etwas der Kopf, zu viel auf einmal ☺️ Aber ich werde es noch mal lesen, dann mit mehr Zeit.
    Jedenfalls beeindruckend!
    und von allem etwas, wenn man so will.
    Danke Dir fürs Mitnehmen und liebe Grüße
    Nina

  2. Ich hab mir ja auch seinerzeit beim Museumbesuchen in Wien die Füße platt gelaufen, aber bei dir doch allerhand Neues gefunden. Und das auch noch so schön fotografiert! Danke auch fürs Verlinken! ( Die Lihotzky-Schütte ist bei mir auch porträtiert… )
    GLG
    Astrid

    1. Oh, stimmt, die hätte ich auch verlinken können. Werde ich noch nachholen. Und vielleicht findet sich ja in deiner langen Liste vorzustellender Frauen auch irgendwann auch Felice Rix-Ueno wieder? Nicht in diesem Artikel erwähnt, aber auch mit Wienursprung und auch ein spannendes Leben und gerade als Pionierin der Women’s History sicher auch eine Protagonistin für deine Great Women Reihe könnte Gerda Lerner sein 😊
      Aber vermutlich ist deine Liste eh schon ganz lang und du brauchst nicht noch zusätzlich Tipps von außerhalb 😉
      Liebe Grüße, heike

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