Spaziergang in Tokyo, diesmal am letzten Tag – Hamarikyu Garten

Wie bereits bei unserer ersten Japanreise im April 2019 haben wir am letzten Reisetag einen ganz besonderen Park besucht. Den Hamarikyu-Garten in der Bucht von Tokyo. Dieser Garten genannte Park befand sich in etwa 10-15 Minuten fußläufiger Entfernung von unserem Hotel, mehr oder weniger die Straße runter Richtung Bucht. Wobei Bucht, viel bemerkt man davon nicht gerade. Durch hoch bebaute künstliche Inseln und Aufschüttungen ist die tatsächliche Bucht noch um einiges weiter nach Süden gewandert. Und auch die Insel, auf der sich der Hamarikyu Garten befindet, ist bereits eine künstliche Aufschüttung in der Bucht von Tokyo. Diese Aufschüttung fand allerdings bereits Mitte des 17. Jahrhunderts statt, zur Edo-Zeit.

Kurze geschichtliche Einordnung: Der Kaiser sitzt in Kyoto, das nach wie vor nominell Hauptstadt ist. Die Macht in Japan ist zu der Zeit jedoch in Händen des Shogun. Dieser Shogun stammt seit 1603 aus der Familie der Tokugawa, die diese Macht bis zum Umsturz und den Beginn der Meiji-Restauration 1868 innehaben wird (Tokugawa auf Wikipedia). Diese Periode ist auch die Zeit, in der Japan sich völlig isoliert. Sitz des Tokugawa-Shogunats ist Edo, deshalb wird diese Zeit auch Edo-Zeit genannt. Und Edo, das ist der Ort, der 1868 mit der Verlegung des Kaisersitzes von Kyoto nach Edo zu Tokyo umbenannt werden wird. Zwei Fragen stelle ich mir in diesem Zusammenhang:

  1. Kyo-to / To-kyo: Zwei Silben, nur die Reihenfolge vertauscht. Ist es tatsächlich so einfach? Nein, natürlich nicht. Eigentlich tanzt Kyoto aus der Reihe, denn bei den früheren Hauptstädten war -kyo für die Hauptstadt immer nachgestellt, siehe Heijo-kyo für Nara und Heian-kyo für die erste Kyoto-Periode. Das to in Kyoto ist dann auch ein kurzes „to“ und ein anderes Kanji (Schriftzeichen) als das anders, nämlich länger ausgesprochene „tou“ in Tokyo. Das to Kanji in Kyoto bedeutet dann auch Metropole, während das to Kanji in Tokyo für Osten steht. Tokyo ist also die „östliche Hauptstadt“. Insofern macht die Umbenennung absolut Sinn.
  2. Was sind die Beweggründe des wieder an die Macht gelangten Kaisers, seinen Sitz von der über tausendjährigen bisherigen Hauptstadt an den Machtsitz des abgesetzten Machthabers zu verlegen? Die Meiji-Restauration war ein Bruch mit allem davor, aber warum dann nicht der absolute Bruch und eine komplett neue Hauptstadt? Irgendwo gibt es sicher die Antwort dazu zu lesen. Und irgendwann werde auch ich sie kennenlernen.

Aber eigentlich waren wir in der frühen Edo-Zeit und bei diesem Schilfgebiet in der Bucht von Tokyo, das ab 1654 zu einem nun Hamarikyu genannten Garten bzw. Park werden wird. Der 4. Tokugawa-Shogun Ietsuna schenkte seinem jüngeren Bruder Tsunashige 1654 dieses Gebiet, das ursprünglich für die Entenjagd und Falknerei genutzt wurde. Dieser gewann Land aus dem Schilfgürtel, damals wie heute durch einen Graben vom Festland getrennt, und errichtete ein Anwesen. Da er zugleich Herr von Kofu war, wurde das Anwesen kofu hama-yashiki genannt, also Anwesen der Kofu am Strand. Als Tsunashiges Sohn als Ienobu 6. Shogun wurde, wurde die Residenz in hama goten, Strand Residenz, umbenannt und wurde eine vielgenutzte Freizeitanlage der Shogune. Sukzessive wurden Gebäude und Gartenanlage erweitert und verschönert. Zwischenzeitlich, in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, wurde ein Teil des Gebiets auch mit Lagergebäuden und Pulvermagazinen bebaut. Und 1727 verwüstete ein Brand die Anlage. Unter dem 11. Shogun wurde der Garten Ende 18./frühes 19. Jahrhundert dann wieder als Gartenanlage zur Rekreation ausgestaltet und erhielt im Großen und Ganzen das Erscheinungsbild, das er heute hat. Auch wenn die Anlage in der Umbruchszeit nicht mehr genutzt wurde. Mit der Meiji-Restauration fiel die Anlage dann an das kaiserliche Haushaltsamt und wurde ab da hama rikyu genannt, kaiserliche (Neben-)Residenz am Strand. Beim Kanto-Erdbeben 1923 und im 2. Weltkrieg wurden Gebäude und Teile der Anlage zerstört, von der Stadt Tokyo, die ihn 1946 übertragen bekam, jedoch weitgehend restauriert. Die Anlage wurde 1952 zur besonderen historischen Stätte erklärt. Meine Quellen für diesen geschichtlichen Abriss des Parks waren die im Park verteilten und abfotografierten Infotafeln.

Übersichtsplan des als Landschaftsgarten angelegten Parks. Vorbildlich die Ausweisung der für Rollstühle geeigneten Wege hier am Übersichtsplan.

Wir haben den Park über die gemauerte Bogenbrücke und den Eingang in der Nordecke (oben links) betreten. Der Park kostet Eintritt, derzeit sind es 300 Yen (umgerechnet nach derzeitigem Stand etwa 1,70 Euro).

Und schon steht man vor der ersten Attraktion des Landschaftsgartens, der etwa 300-jährigen Schwarzkiefer. Laut Angabe wurde dieses Exemplar vor etwa 300 Jahren gepflanzt, um an die großen Verschönerungen des Gartens durch den 6. Shogun Ienobu zu erinnern. Das natürliche Verbreitungsgebiet der Japanischen Schwarzkiefer (Pinus thunbergii) sind die japanischen Inseln Honshu, Shikoku und Kyushu und Küstengebiete in Südkorea. Sie verträgt gut Salzwassergischt, gilt als Pioniergehölz und wurde häufig zum Aufforsten verwendet. Sie wächst im feuchten, warmgemäßigten Klima in niedrigen und mittleren Höhenlagen. Und sie wurde und wird gerne für die japanische Gartengestaltung verwendet. So sind auch im Hamarikyu Garten zahlreiche Exemplare unterschiedlicher Größe zu finden.

Hier gut zu erkennen die Borke der Japanischen Schwarzkiefer. Und der verzweigte Kronenwuchs.
So auch malerisch an den Ufern der im Park vorhandenen Teiche.
Oder an den Flanken der den Park säumenden Erdwälle und Hügel.

Zu den Rändern hin, auch zum Wasser der Bucht, sind größtenteils Wälle und Erhöhungen angeformt. Vermutlich als Bollwerk und Windbrecher, um den Park vor dem Meer und den Seewinden zu schützen. Heutzutage ist außerdem ein mit etwas Abstand angelegter Schutzwall in der Bucht vor der Parkinsel vorhanden, auch als Hochwasserschutz.

Der Park bietet zahlreiche erhöhte Aussichtspunkte. Von denen wir natürlich die meisten erklommen haben.
Wie man sehen kann ist die Bucht inzwischen weiter aufgefüllt und bebaut. Hier gerade so zwischen den Schwarzkiefern zu erkennen ist außerdem eine der Schleusen. Die vorhandenen Teiche sind Salzwasserteiche und werden vom Meerwasser der Bucht gespeist. Der Wasserstand wird durch Schleusen reguliert.
Die innere Seite der Schleuse.
Einer der beiden kleineren Teiche, die als Entenjagdgebiet benannt werden. Bei diesen zwei Teichen bin ich mir nicht ganz sicher, ob sie ebenfalls Salzwasserteiche sind. Denn sie haben keine erkennbare Verbindung mit dem Meer und dem definitiven Salzwasserteich. Auch wird eigentlich immer nur der große Teich als Salzwasserteich genannt. Dieser am gegenüberliegenden Ufer am rechten Bildrand erkennbare Erdwall ist eine Vorrichtung für die Entenjagd, diese Entenjagdanlagen werden Kamoba genannt. Die Enten wurden in Gräben getrieben, die Jäger versteckten sich im Inneren des Walls. Oder so. Ehrlich gesagt habe ich mir das Ganze diesmal nicht nochmal angesehen, vor 6 Jahren allerdings schon.
Auch der innere Wassergraben wird von Meerwasser gespeist. Mit eigener Schleuse. Der vom inneren Wassergraben umgrenzte Bereich, in dem sich heutzutage ein Blumenfeld und ein Päoniengarten befinden, war der Bereich, in dem die durch Archivalien und archäologische Untersuchungen belegten Lagerhäuser, Schmieden und Pulverlager situiert waren. Die Anlegestellen wurden teilweise als Stufen zum Wasser wieder rekonstruiert.
Die Blumenfelder (es sind mehrere große) sind jetzt im Herbst teilweise mit gelben Cosmeen (großteils abgeblüht) und teilweise mit Cosmeen in allen Rosaschattierungen bepflanzt. Mein Lieblingsfoto. Ich liebe die zierlichen Cosmeen, hatte lange weiße im Garten.
Wenn man genau hinsah, konnte man die zahlreichen Vögel entdecken, die durch ihr eifriges Samen picken die Blütenstängel zum Tanzen brachten. Foto ausnahmsweise mal von Matthias, seine Spiegelreflex hat einen digitalen Zoom, der im Gegensatz zu meinem Handy tatsächlich brauchbare Bilder liefert. Die meisten anderen Fotos in den Beiträgen sind übrigens mit meinem Handy gemacht. Und das ist beiweitem nicht die neueste IPhone-Generation. Dafür sind die Fotos dann doch ganz gut, finde ich.
Shioiri-no-ike, der Gezeitenteich. Am Ufer des Salzwasserteichs finden sich mehrere Teehäuser, die allesamt erst in den letzten Jahrzehnten wieder rekonstruiert wurden. Das tatsächlich als Teehaus betriebene Nakajima-no-ochaya von 1707 wurde bereits 1985 rekonstruiert, während die restlichen drei (nicht im Bild) erst von 2010-2018 rekonstruiert wurden und nun besichtigt werden können.

Und jedesmal wieder fasziniert mich dieser Kontrast zwischen den kleinen niedrigen Teehäusern, den nur etwas höheren Bäumen und den über allem aufragenden Hochhäusern.

Auch faszinierend, wie bauliche Strukturen konstant erneuert werden. Und dabei doch Rücksicht auf die Bepflanzung genommen wird. Die alte Wisteria wurde auf ein Gitter aus Bambusstäben gebettet und dann darunter die Pergola erneuert.
Die andere Brücke zum Teehaus wurde kürzlich erst erneuert. Im Hintergrund ist eines der anderen Teehäuser zu sehen. Das in dem die vor Ort betriebene Falknerei beschrieben wird, Taka-no-ochaya.
Natürlich gibt es auch mehrere Exemplare des Fächerahorn im Garten. Deren Laub eben erst beginnt sich zu verfärben.

Zum Schluss noch ein paar witzige Schilder. Das linke findet man vermutlich nur witzig, wenn man vorher die mit Zeichnungen der jeweiligen Shogune ergänzten jeweiligen Beschreibungen der unterschiedlichen Bauphasen des Gartens gesehen und soweit entzifferbar auch gelesen hat. Und Mochi mag. Die Mochikugeln in Grün, Weiß und Rosa sind übrigens eine Homage an die Kirschblüte, Sakura. Die auf der viel größeren Verbotstafel dargestellten Verbote waren fast alle einleuchtend. Aber warum darf man keine Seifenblasen blasen?

Damit ist unser Spaziergang durch den Hamarikyu Garten zu Ende. Und wandert nun zum Monatsspaziergang im November bei 3he fecit.

Die vielen Japanischen Schwarzkiefern und die noch nicht ganz so bunten, aber dafür schön gewachsenen Fächerahorne dürfen ihre Baumfreunde drüben bei Astrid/Le Monde de Kitchi besuchen.

Und als Bonusbild gibt es noch ein Panorama vom Fujimijama genannten Aussichtspunkt. Den Fuji haben wir nicht gesehen, aber den Großteil des Parks und seine umgebende Skyline.

2 Gedanken zu „Spaziergang in Tokyo, diesmal am letzten Tag – Hamarikyu Garten“

    1. Wir sind noch nicht fertig. Da kommt noch Kanazawa und verbeugen vor Hirschen in Nara und Kyoto und Matsumoto und auch noch mehr Tokyo. Den Koffer wirst noch brauchen.
      Liebe Grüße, heike

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