Tag 3, 4 und 5 – Nagoya und Inoyama

Momentan haben wir einen Zweitagesrhythmus. Ein Reisetag, ein ganzer Tag vor Ort. An jedem Ort also zwei Übernachtungen. Ist ein bisschen anstrengend, und ich freue mich schon auf den doppelt so langen Aufenthalt in Kanazawa. In Kyoto werden wir sogar 5 Nächte bleiben. Tag 3 begann also mit der Fahrt von Tokyo nach Nagoya, über die Fahrt mit dem Shinkansen und diverse andere Fahrten haben wir bereits berichtet. Da wir um die Mittagszeit in Nagoya angekommen sind, aber erst frühestens um 16 Uhr einchecken konnten, haben wir nur die Koffer im Hotel abgestellt und haben gleich unseren ersten Programmpunkt angesteuert. Den einzigen, den wir konkret für Nagoya auf der Liste hatten. Denn eigentlich war Nagoya nur als Basis für einen Ausflug nach Inoyama und Meiji Mura angedacht. Dann stieß Matthias bei der Planung der Reise auf ein interessantes Museum. Das Toyota Commemorative Museum of Industry and Technology. Nicht zu verwechseln mit dem Toyota Automobile Museum. Das Toyota Tecno Museum zeigt die gesamte Geschichte von Toyota, von den Anfängen an. Und diese Geschichte begann mit Maschinen für die Textilindustrie. Die Autos kamen erst später. Mir war das gänzlich unbekannt, aber mit der Aussicht auf Spinn- und Webmaschinen konnte mich Matthias schnell für ein Museum begeistern, das Autos zeigt. Aber eben nicht nur.

Dorthin haben wir uns also auf den Weg gemacht. Zu Fuß, nach der Zugfahrt stand uns der Sinn nach Bewegung und 1,8 km klangen bewältigbar. Dabei haben wir dann auch gleich die ersten Eindrücke von Nagoya bekommen. So von Bahnhofsviertel zu zentrumsfernem Viertel. Wobei, Zentrum, wo genau ist eigentlich das Zentrum in diesen großen japanischen Städten? Nagoya ist eine Industriestadt, die viertgrößte japanische Stadt, und im 2. Weltkrieg ziemlich zerbombt. Die Stadt ist nicht schön. Und der Weg unter dem breiten Gleiskörper in Bahnhofsnähe hindurch auf die andere Seite und dann ein Stück entlang einer nichtssagenden Straße war nur insofern interessant, als wir gelernt haben, dass es in Japan nicht nur viele Radfahrer gibt, sondern auch eigene, große, Fahrradabstellplätze. So eben auch in dieser Unterführung über die komplette Tiefe. Wohlgemerkt, in einer Stadt mit 2,3 Mio. Einwohnern und entsprechend viel Verkehr gibt es Leute, die mit dem Fahrrad fahren. Und gar nicht wenige. In Tokyo übrigens auch. Wir jedoch waren zu Fuß unterwegs. Zum Toyota Tecno Museum.

Das Gelbe ist die Textilmaschinenhalle, Blau die Automobilhalle.

Und dann sind wir eingetaucht in all die Informationen und Geräte, die dieses Museum zu bieten hat, und erst bei Museumsschließung wieder daraus hervorgetaucht. Da die Geschichte von Toyota mit diversen Maschinen für die Textilproduktion begann, kam zuerst die große Halle mit allem was man schon immer über die Textilindustrie wissen und sehen wollte. Ein paar Gerätschaften des vorindustriellen Zeitalters untermalten den Abriss der textilen Industriegeschichte. Sehr informativ und sehr interessant das Ganze. Viele der Gerätschaften wurden dann auch immer wieder von eigens dazu abgestellten Mitarbeitern des Museums in Betrieb genommen und die verschiedenen Techniken demonstriert. Kardiermaschinen, Spinnmaschinen, Webstühle, etc., aus verschiedenen Zeiten und auch von anderen Herstellern, nicht nur Toyota. Webstühle mit Schiffchen, mit Wasserstrahl, mit Luftdüse, wir haben viel gelernt. Auch, dass Toyota bis heute Textilmaschinen herstellt.

Toyoda Power Loom, 1896. Der erste mechanische Webstuhl Japans. Der Webstuhl bestand aus Eisen und Holz, um ihn günstig zu halten.
Non-Stop Shuttle Change Toyoda Automatic Loom, Type G, 1924. Dieser Webstuhl war das Lebensziel und auch das Vermächtnis von Sakichi Toyoda, dem Gründer. Er wurde massiv getestet und kommerziell eingesetzt und wurde ständig verbessert.
Toyota Air Jet Loom Model JAT910, hergestellt 2023. Ein Jacquardwebstuhl, bei dem der Webfaden mittels Luftdüsen eingeblasen wird und der digitale Fotos in 8 Farben weben kann.
Kein Webstuhl, sondern eine Maschine von mehreren im Verarbeitungsprozess von Baumwolle. Die Erklärungstafeln waren alle sehr gut, oft auch mit zusätzlichen Schemata.
Das Museum befindet sich in den ersten Fabrikationshallen von Toyota/Toyoda. Die Darstellung der Herstellung der Webstühle kommt also der damaligen Werkhalle ziemlich nahe. Weniger hell und sauber war es vermutlich. Die Produktion findet inzwischen an mehreren Orten weltweit statt und schon lange nicht mehr in Nagoya.
Die Webstühle wurden auch eingesetzt, es wurden Textilien hergestellt und die Maschinen dadurch ständiger Prüfung unterzogen.

Der Familienname des Gründers ist übrigens Toyoda, es sind verschiedene Gründe für die Umbenennung genannt, unter anderem die Trennung von Familie und Konzern. Der Anfang war Ende des 19. Jahrhunderts mit der Entwicklung von Webstühlen, bis hin zum Toyoda Automatic Loom 1924. Der Sohn des Gründers wurde nach dem Maschinenbaustudium nach England und in die USA gesandt und stellte dort die fortgeschrittene Entwicklung und Verwendung des Automobils fest. Der Verkaufserlös an den Patentrechten des automatischen Webstuhls an einen britischen Konzern 1929 wurde ab 1934 in die Entwicklung der Automobilsparte gesteckt. Wegen des 2. Weltkriegs zunächst schleppend, ging es ab den 1950er Jahren dann durch viele Entwicklungen und die Gründung noch weiterer Sparten immer bergauf. Die verschiedenen Sparten von Toyota fertigen Autos, Webmaschinen, Nähmaschinen, Fertighäuser, Boote, um nur ein paar zu nennen.

Für den zweiten Teil der Ausstellung, als es dann um die Geschichte des Automobilbereichs ging, hatten wir dann viel zu wenig Zeit. Denn wie so vieles in Japan schloss auch dieses Museum um 17 Uhr. Da waren wir dann nach den kleineren Räumen zum Anfang der Automobilsparte endlich in der großen Halle mit den vielen Modellen und Demonstrationen der Produktionsschritte angekommen. Im Sauseschritt durch haben wir zumindest noch ein bisschen was gesehen. Und hätten noch viel mehr Zeit in diesem Museum verbringen können.

Im Automobilbereich wurden zunächst die ersten Werkstätten nachempfunden. Als man noch ganz viel herumprobiert und geforscht hat.
Tja, und das war dann die Halle, für die wir nicht mehr genügend Zeit hatten.
Automobilproduktion am Fließband einst…
… und jetzt.

Den Weg zurück zum Hotel haben wir dann auch wieder zu Fuß zurückgelegt. Und da wir nun schon ziemlich hungrig waren, haben wir kurz vor dem Hotel noch ein bereits daheim recherchiertes Lokal aufgesucht. Ein Izakeya ist ein eher informelles Lokal, in dem es viele kleine Speisen und Alkohol gibt, vielleicht ähnlich einer spanischen Tapasbar. Und in so eines sind wir gegangen, bzw. in diesem speziellen Fall in den Untergrund abgetaucht, denn nach dem Eingang ging es in den Keller. Wir hatten Glück und bekamen noch einen Platz, nach uns wurde es sehr voll. Und laut. Unser Platz war eh ab 19 Uhr reserviert, und wir mussten ja auch endlich einchecken.

Tag 4 war dann der Fahrt nach Inoyama und Meiji Mura gewidmet. Nach Inoyama fährt man, weil es dort eine Burg gibt. Offenbar die älteste der 12 noch original erhaltenen feudalen Burgen. Eingestuft als Nationalschatz, wird das Erbauungsjahr von Inoyama-jo mit 1601 angegeben. Dendrochronologische Untersuchungen zeigten, dass die Burg sogar älter ist und vermutlich auf 1584 datiert werden kann. Es ist jedenfalls von den japanischen Burgen, die wir gesehen haben, bisher die kleinste. Der Donjon, also der Turm, hat 4 sichtbare Stockwerke und ein im Sockel verstecktes Kellergeschoss. Um ins Innere zu gelangen, mussten wir uns anstellen, denn die Burg war gut besucht, hauptsächlich von Japanern. Allzu lange mussten wir nicht stehen, dass dies anders sein kann, davon zeugen die vielen mit Ketten abgesperrten Windungen zum in die Schlange aufstellen. Der Stau kam dann auch zum großen Teil daher, dass man direkt beim Betreten der Burg die Schuhe ausziehen muss. In Japan übrigens eher die Regel als die Ausnahme. Privathäuser, Tempel, Schreine und viele andere Gebäude darf man nicht mit Straßenschuhen betreten.

Der Donjon nochmal als Modell. Es gab auch ein Modell des Holztragewerks, das Foto ist nur leider nichts geworden. Ansonsten ein paar wenige Samureirüstungen in Vitrinen, ein paar Porträts der Herren der Burg und sonst nicht allzu viel. Das Interessante war eh das Gebäude selbst.
Und der Blick von der Galerie ganz oben auf den direkt unterhalb des Burgfelsens vorbeifließenden Fluss Kisu und die Umgebung…
… sowie in den Burghof. Der Burghof war ursprünglich auch dichter bebaut bzw. umbaut.
So steil waren die Treppen im gesamten Gebäude. Kopf einziehen musste man außerdem. Dass man die Straßenschuhe im Plastikbeutel mitschleppen musste, hat das ganze nicht einfacher gemacht.
Am Fuße des Burgbergs befinden sich mehrere Tempel. Durch den Sanko Inari Schrein betritt man eigentlich auch das Burggelände. Und verlässt es wieder.
Ein paar Impressionen vom Sanko Inari Schrein. Inari ist im Shintoismus die Göttin bzw. der Gott des Ackerbaus und der Landwirtschaft, heutzutage auch Schutzgöttin des wirtschaftlichen und industriellen Wohlstands und noch einiges mehr. Ihre Boten sind die Füchse. Und die Tempel erkennt man an den zinnoberroten Torii.

Zwischen Burgberg und Bahnhof gibt es eine Straße mit alten Kaufmannshäusern und vielen Läden. Da haben wir schon mal viel Zeit verloren, mit Schauen und auch ein paar Häppchen essen. Endlich auf dem Weg zum Bahnhof, von wo auch die Busse nach Meiji Mura abgehen, hat Matthias in einer Nebenstraße etwas entdeckt, also sind wir nochmal abgebogen. Eine Menschenansammlung und ein Puppentheater, das gerade eben zu Ende ging. Aber es sah aus, als gäbe es noch mehr. Und schon hieß es Karakuri statt Meiji Mura. Puppenautomaten auf Festwagen statt Freilichtmuseum mit Gebäuden aus der Meiji-Ära, also Ende 19. Jahrhunderts. Dahin war sie, meine vermutlich einzige Möglichkeit, jemals ein Gebäude von Frank Lloyd Wright zu sehen. Denn zumindest Haupteingang und Lobby des Imperial Hotel Tokyo wurden nach Meiji Mura transferiert. Und noch viele andere Gebäude der Meiji, Taisho und Showa Zeit. Sollte nicht sein. Stattdessen bekamen wir ein Stück japanische Kultur. Besonders zu traditionellen Matsuri (Festen) werden diese mechanischen Puppen aus dem 18. und 19. Jahrhundert auf ihren dazugehörigen Festwagen über das Festgelände getragen, begleitet von ein paar Musikanten. Diese Form der Karakuri nennt sich dann Dashi Karakuri. In der Regel werden mit den Dashi Karakuri Szenen aus örtlichen Mythen und Legenden aufgeführt. Verstanden haben wir zwar nichts von den ausführlichen Erklärungen vor Beginn der einzelnen Aufführungen, die dargestellten Szenen haben wir also auch nicht verstanden, aber interessant war es auf jeden Fall.

Die Puppenspieler stecken unter dem Wagen, hinter der Stoffbespannung, und dirigieren ihre Automaten von unten. Diese Puppe hier hat dann auch eine Rolle um das Reck gemacht.
Bereits zuvor hatten wir beim Schlendern durch den Ort diesen Festwagen in seinem Unterstand gesehen. Dass es diese Festwägen gibt, war mir beim Lesen über den Ort Takayama aufgefallen, dort haben wir dann auch in einigen Gassen die allerdings geschlossenen Tore der Festwagengaragen ausgemacht. Dass wir sie in Inoyama in Aktion erleben konnten war ein schöner Bonus.

Noch ein paar Impressionen aus Inoyama

Als ich das Foto gemacht habe, hat ein vorbeigehender Einheimischer erst mich, dann das Gebäude, dann wieder mich, dann wieder das Gebäude, dann wieder mich angeschaut. Man konnte förmlich sehen dass er sich fragt warum ich dieses Gebäude fotografiert habe. Und er wird nicht der Einzige sein, der sich das fragt. Ich fand das Fassadengitter so interessant 🙂
Eine moderne Interpretation eines traditionellen japanischen Hauses.

Die interessanten und auch ein paar weniger interessanten Bereiche von Inoyama hatten wir dann ausgiebig gesehen, Abend wurde es auch, also haben wir uns wieder in den Zug zurück nach Nagoya gesetzt. Und dann gleich noch in den Bus, um zur Burg von Nagoya zu fahren. Zumindest von außen wollten wir einen Blick erhaschen, denn bis wir dort waren, war sie schon geschlossen. Mehr als ein Tor haben wir allerdings nicht gesehen, die Burg versteckt sich gut in ihrem Park und hinter Bäumen. Schade. Denn auch wenn sie eine Rekonstruktion der Nachkriegsjahre ist, scheint sie doch auch imposant zu sein.

Die Burg versteckt sich gut. Und wir waren nicht die einzigen, die eine Route durch den äußeren Bereich und einen Blick gesucht haben.

Also haben wir stattdessen etwas zum Abendessen gesucht. Eine von weitem vielversprechende Straße hatte von Nahem dann nur eine Boulderhalle, spanische Pizza und geschlossene Rolläden zu bieten. Zu regnen fing es auch wieder an, und gar nicht wenig. Zum Glück lief uns ein weiteres Izakeya über den Weg. In dem wir auch einen Tisch bekamen. Und eine nur in japanischen Schriftzeichen vorhandene Karte. G** Translate war unser Freund. Bei einigem haben wir trotzdem gerätselt, denn die Übersetzung „Fädeln sie Konjak ein“ half jetzt nicht wirklich weiter. No Risk, no Fun, und bestellt. Und noch ein paar andere Sachen mehr. Das so lustig benannte Gericht waren ein zu einem Knoten geformtes Nudelpaket, gut noch dazu. Und mit der jungen Bedienung, die einigermaßen Englisch konnte, hatten wir dann auch noch lustige Szenen. Bis zu persönlichem Hinausbegleiten vor die Tür nach dem Zahlen und draußen noch ein bisschen weiterreden. Mission Abendessen erfolgreich, würde ich mal sagen.

Anderntags hatten wir noch ein bisschen Zeit bis zur Abfahrt unseres Zuges nach 12 Uhr mittags. Im Yayoi Kusama Museum in Tokyo hatte uns eine der netten Damen dort, als sie mitbekam dass wir nach Nagoya fahren, von einer Ausstellung von Druckwerken von Yayoi Kusama in einer Galerie eines Kaufhauses berichtet. Da sind wir dann also mit dem Bus noch hingefahren. Die Einkaufsstraße war trotz Sonntag ziemlich belebt, und auch die Ausstellung war sehr gut besucht. Und um einiges größer als erwartet. Fotografieren durfte man mal wieder nicht. Es ist anscheinend eine Wanderausstellung, vielleicht kommt sie auch mal nach Europa? Uns jedenfalls hat sie gut gefallen.

Mit der Zugfahrt nach Takayama war Tag 5 eigentlich noch nicht zu Ende. Denn in Takayama sind wir trotz teilweise strömendem Regen noch ein bisschen durch die Gassen geschlendert. Mehr davon gibt es dann beim Bericht über Takayama, dieser Beitrag hier ist eh schon so lang.

Statistik:

Tag 3: 13.733 Schritte / 9,15 km

Tag 4: 17.590 Schritte / 11,55 km

Tag 5: 12.683 Schritte / 8,48 km

4 Gedanken zu „Tag 3, 4 und 5 – Nagoya und Inoyama“

  1. Ihr müsst ein bißchen langsamer machen. Komm kaum hinterher. Schrittzählerüberlauf bei mir, und ich vergesse zu atmen. Dabei – grad in der Autohalle hätte ich gerne länger geschaut. Und im Inneren der Tempel und Burgen.

    1. Ich komme auch kaum hinterher, mit dem Schreiben allerdings. So viel zu sehen und erleben. In der Autohalle hätten wir auch gerne noch länger Zeit gehabt. Im Innern der Burgen ist schwer länger schauen, geht man doch quasi in der Schlange durch und hat wenig Zeit zu Schauen. Und in die meisten Tempel und Schreine kann man nur von außen einen Blick werfen. Oder wie hier in Nara darf man nicht fotografieren im Inneren. Dafür Skulpturen aus dem 8. Jahrhundert schauen und staunen.
      Liebe Grüße, heike

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