Neustadt, Altstadt, Booch und Leerstand – ein Spaziergang durch Sulzbach

Der Weihnachtsbesuch bei der liebsten Cousine und den Patenkindern bestand nicht nur aus Geschenken und gemeinsam kochen und essen und netten Gesprächen. Wir haben auch einen ausgedehnten Spaziergang durch die Sulzbacher Altstadt bis ins Bachviertel und wieder zurück gemacht. Und dabei nur einen Bruchteil dessen gestreift, was Sulzbach-Rosenberg so zu bieten hat. Da die Regeln für Kristinas Monatsspaziergang 5-25 Fotos vorsehen, bekommt ihr jetzt eine kleine Auswahl zu sehen.

Direkter wäre es gleich beim nicht mehr vorhandenen Neutor in die Neustadt gewesen, aber ich wollte noch ein Stück die Allee am ehemaligen Wall entlang. Ich mag den Blick auf das erhaltene Stück Stadtmauer. Die Türme der evangelischen Christuskirche und der katholischen Stadtpfarrkirche St. Marien prägen die Stadtsilhouette weithin in alle Richtungen.
Im ehemaligen Stadtgraben wurde vor kurzem der sog. Drachenpfad angelegt. Da Sulzbach-Rosenberg eine lange Geschichte der Eisenverarbeitung hat, entschied man sich wegen Feuer und Erz für den mystischen Drachen für diesen Geschichtslehrpfad.
Noch ein Blick in die andere Richtung.
Schalenturm der Stadtbefestigung mit innenseitiger Verbretterung. Und kleinem grünem Wichteltürchen.
Die Neustadt wurde wie so viele sogenannte Neustädte als erste Stadterweiterung im 14./15. Jahrhundert angelegt.
Das gotische Rathaus von 1456. In meiner Schulzeit am Sulzbacher Herzog-Christian-August-Gymnasium war das Rathaus noch steinsichtig. Bei Sanierungsarbeiten in den 2000er Jahren wurden hinter einer hölzernen Außentreppe Reste der historischen ersten Farbfassung entdeckt. Die Fassaden wurden daraufhin in genau dieser Erstfassung gefärbelt. Pastellrot mit weißer Quaderung und rotem Beistrich. Manche konnten sich bis heute noch nicht damit anfreunden. Die Straße rechts am Rathaus vorbei ist die ehemalige Hauptstraße.
Der Luitpoldplatz vom Rathaus aus gesehen. Rechts die katholische Stadtpfarrkirche St. Marien. Im Hintergrund ist der hochaufragende Palas des ehemaligen Sulzbacher Schlosses zu sehen. Archäologisch belegt ist eine bedeutende Burg an dieser Stelle seit dem 8. Jahrhundert. Wir gehen bis zum Löwenbrunnen vor und die Bergstraße Richtung Booch = Bachviertel hinunter
Ehemalige hebräische Druckerei Fränkel/Arnstein in der Bindergasse. Seit dem 18. Jahrhundert betrieben und nach dem großen Stadtbrand 1822 wieder neu aufgebaut. Nach dem Wegzug der Familie ab 1851 im Besitz der Stadt und als königliches Landgericht und Rentamt in Verwendung, bis 1962 dann als Landratsamt. Seit 1970 in Privatbesitz. Bilder von der Hofseite erspare ich euch. Der Einbau eines Möbelhauses in 70er Jahre Formen und Teilentkernung hat dem Gebäude nicht gut getan. Von hinten ist nichts mehr von dem historischen Gebäude zu erkennen.
Die ehemalige Synagoge, nach dem Stadtbrand von 1822 anstelle des barocken Vorgängers im klassizistischen Stil wiederrichtet. Die Zeit des Nationalsozialismus überstand sie als Heimatmuseum. Ab 1950 in Privatbesitz und als Wohnung und Lager genutzt, ging sie 2008 wieder in den Besitz der Stadt über. Frisch saniert dient sie seit 2013 als Begegnungsstätte und kann auch besichtigt werden.
In der Rosenberger Straße war in meiner Schulzeit noch eine einigermaßen brauchbare Einkaufsstraße. Mit innerstädtischem Supermarkt, Schuhgeschäft, Spielwarenhandlung, Handarbeitsgeschäft, Drogerie, etc. Jetzt herrscht hier hauptsächlich Leerstand. Selbst Lebensmittelladen gibt es keinen mehr. Und der Unverpacktladen in einer Seitenstraße musste bereits wieder schließen. Im ehemaligen Amtsgericht (hier links das neugotische Gebäude) befindet sich übrigens das Literaturarchiv. Da waren wir letzten April drin. Eine Zeitreise zur Gruppe 47.
Das Haus mit hohem Stufengiebel und Kastenerker an der Ecke ist das sog. Weißbeckhaus von 1487/88. Übrigens von Hans Behaim d.Ä. erbaut, dem späteren Stadtbaumeister von Nürnberg. Stand so auf der Tafel 😉 In der großen Halle im Erdgeschoss befinden sich ein Bäcker und ein Metzger. Immerhin bereits seit Jahren. Auch der Bioladen Kornkistl hält sich seit meiner Schulzeit.
Das Rosenberger Tor hat die deutschlandweite große Abbruchwelle der 1960er Jahre deshalb überstanden, weil man daneben eine Bresche in die Stadtmauer schlug und den Verkehr daran vorbeiführte. Der große Kasten geradeaus ist das ehemalige Kaufhaus Storg, das nach langem Leerstand nun in Wohnraum umgenutzt wird und sich eher positiv verändert hat. Wer wissen will, wie es vorher ausgesehen hat, hier gibt es ein kurzes Filmchen (in dem übrigens auch die historische Seidel Druckerei kurz vorkommt).
Und mit dem Rückweg über die andere Seite der Allee entlang der Stadtmauer schließt sich der Kreis. Es dämmert und wir sind durchgefroren und hungrig, also ab ins warme Cousinenhaus.

Genau an dieser Stelle haben wir noch einen kleinen Abstecher zu den ziemlich neuen Oberpfalz Arkaden gemacht, um im dort situierten großen Lebensmittelladen noch ein paar Sachen für das Abendessen einzukaufen. Fotos und Bericht verkneife ich mir. Sonst muss ich nur wieder Dampf ablassen. Nur soviel: Fußgänger sind in diesem Einkaufszentrum nicht vorgesehen. Wer es doch wagt, sich zu Fuß dort hin zu trauen, hat gute Chancen auf den einzig für den Autoverkehr geplanten Freiflächen überfahren zu werden. Selten so eine verfehlte Planung und Genehmigung und Umsetzung gesehen.

Genug geschimpft. Es war jedenfalls mal wieder nett, durch unser ehemaliges Kreisstädtchen und die Stadt meiner Schulzeit zu schlendern. Vieles hat sich verändert. Vieles überhaupt nicht. Die Besonderheiten erschließen sich nicht auf den ersten Blick. Und wie gesagt, es gäbe noch sehr viel mehr zu sehen. Und so unbedeutend die Stadt heute scheinen mag, sie hat eine große Historie. Es wird also wohl nicht der letzte Spaziergang durch Sulzbach-Rosenberg gewesen sein. Aber es ist zumindest derjenige, der mit dem Monatsspaziergang im Dezember verlinkt wird.

6 Kommentare zu „Neustadt, Altstadt, Booch und Leerstand – ein Spaziergang durch Sulzbach“

  1. Beste Heike! Als Mensch der jeden Tag hier lebt sieht man vieles gar nicht mehr… deshalb Dankeschön für den Perspektivenwechsel und den fabelhaften Spaziergang. Bussi von der Lieblingscousine an die Lieblingscousine. <3 E.

  2. sulzbach-rosenberg hatte ich vorher noch nie gehört und musste erstmal schauen, in welcher region es liegt. ich mag solche interessanten einblicke in kleinstädte. vieles hat sich in anderen orten auch so abgespielt. historisches wurde vernichtet, unselige verkehrsplanungen durchgeführt und viele (um leider zu sagen: die meisten) geschäfte verschwanden. gut, dass an vielen orten doch ein umdenken stattfindet. das kaufhaus war ja wirklich gruselig, da ist der heutige bau ja eine schönheit dagegen! wenn auch noch diese tolle druckerei erhalten, restauriert und der öffentlichkeit zugänglich gemacht würde, würde ich glatt mal in sulzbach-rosenberg pause machen, wenn ich in der nähe vorbeikommen würde ;)!. die alten gemäuer gefallen mir sehr.
    liebe grüße
    mano

    1. Die historische Druckerei wird inzwischen als Kleinkunstbühne und Veranstaltungssaal genutzt. Auch die Bibliothek ist erhalten. Man hat sogar eine kurze Vorläufergeschichte zu Wilhelm Buschs Max und Moritz beim Sichten der Unterlagen gefunden. Beim 25-jährigen Abitreffen vor etlichen Jahren haben wir Druckerei und Synagoge besichtigt, war beides sehr interessant und zahlt sich aus. Das ehemalige Kaufhaus war und ist genau in der Blickachse die Hauptstraße entlang gelegen, umso schlimmer war das Aussehen. Der Umbau jetzt ist nichts besonderes, aber doch eine Verbesserung. Und von Sulzbach-Rosenberg hat man wenn dann vermutlich nur Ende der 1980er Jahre gehört, als das Stahlwerk Maxhütte in Teilkonkurs ging und großteils schloss. Die großen Tage als frühmittelalterliche Herrschaftsburg und auch Pfalz-Sulzbach mit dem Sulzbacher Musenhof sind schon lange vorbei. Trotzdem lebens- und sehenswert.
      LG heike

  3. Liebe Heike,
    also die Idee mit dem Monat Spaziergang finde ich Großartig!
    Schon alleine das Spaziergang ist schon eine Tolle sache dazu Fotoaparat und vor allem ein Beitrag der nicht nur 1.. 2 … oder3 Bilder hat wie meine der letzte Zeit. Aber eine menge von Bilder die den Tag und die Ort stellt vor.
    Also ich werde mir das ganze überdenken müssen … aber wer weis, vielleicht nächste mal treffen wir uns im Netz auch durch das Projekt ;-I

    Übrigens…Sulzbach muss wirklich eine Interessante Ort sein . Mit einem Burg ist schon eine der ich gerne besuchen hätte. es ist allerdings viel zu weit , deswegen schaue ich mir deine Bilder und bewundere ich das was ich sehe

    Liebe Grüße und schöne Wochenende
    czoczo

    1. Als Kristina die Idee mit dem Monatsspaziergang präsentiert hat, war ich sofort interessiert. Den ersten Termin habe ich verbockt, aber seit dem zweiten Termin bin ich fix dabei. Und sehe meine Umgebung seither mit anderen Augen 😉
      Sulzbach wirkt erstmal sehr trist. Wenn man dann genauer hinsieht, gibt es aber so viel zu entdecken. Die Burg wirkt aus Richtung Nürnberg kommend grandios auf ihrem Felsen, von der Stadtseite geht sie fast unter. Und außer der Stadtbücherei in einem großen Nebengebäude ist nichts öffentlich. Leider. Wenn ich mal wieder dort bin muss ich mal schauen, was von der Maxhütte in Rosenberg noch vorhanden ist. Die Hochöfen und sehr viel anderes wurde in den letzten Jahrzehnten verkauft. Aber es sollte noch genug Fotomaterial geben 😉
      LG heike

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