Wir hinken gnadenlos hinterher mit dem
Berichten, denn eigentlich haben wir inzwischen so viel mehr gesehen
und einige Kilometer zurückgelegt. Zu unserer Verteidigung: Wir
haben viel mehr vorgeschrieben, aber die Technik will nicht ganz so
wie wir. Unser kleiner treuer oranger Mini-Laptop, der bereits in
Indien mit war, ist trotz Wiederbelebung durch den lieben G. von
kleineren und größeren Zickereien geplagt. Bilder in den Text
einfügen mag er manchmal nicht so gern. Und das Hochladen auf den
Blog funktioniert meistens erst nach einigen Anläufen und Umwegen.
Und manchmal macht er sich selbständig, da wandert die Maus
gespenstisch durch die Gegend, markiert Text, verschiebt ihn,
schließt Programme, usw. Und man sitzt davor und kann nichts tun.
Außer immer wieder in sehr kurzen Abständen speichern, damit nicht
zu viel verloren geht, wenn die Geisterstunde wieder anfängt. Das
nur so am Rande, damit ihr nicht glaubt, wir sind schreibfaul oder
wollen euch nicht teilhaben lassen 😉
Burgen also. Die sehen hier in Japan
anders aus als wir sie von Mitteleuropa gewohnt sind. Und die drei,
die wir in den letzten Tagen gesehen haben, stammen aus dem 16.
Jahrhundert. Verbunden mit den Burgen ist der Kriegeradel. Stichwort
Samurai, Daymio, Shogun. Und weil hier immer wieder Begriffe
auftauchen, die uns eigentlich nur in der europäischen Geschichte
bewanderten wenig sagen, auch wenn wir sie schon mal gehört haben
oder aus Film und Fernsehen ein Bild vor Augen haben, gab es Voraus
auch den Versuch einer kurzen Übersicht über die Geschichte Japans.
Zurück zu den Burgen. Das sind
übrigens durchwegs Stadtburgen. Sie waren Sitz eines Feudalherren,
die ihm verpflichteten Samurai haben in umliegenden Quartieren
gewohnt, quasi ein weiterer Burgbezirk, der zumindest im Fall von
Himeji nochmals mit einer Mauer umfasst war. Zwölf dieser
Feudalburgen sind übriggeblieben. Wir haben drei gesehen, Himeji-jo,
Okayama-jo und Osaka-jo (das jo steht für Burg). Drin waren wir nur
in einer. In Himeji-jo. Das ist auch die einzige von den dreien, die
noch annähernd original erhalten ist. Die anderen beiden sind
Rekonstruktionen mit Stahlbeton von 1931 (Osaka-jo) bzw. 1966
(Okayama-jo). Wobei es sicher nicht unspannend, gewesen wäre,
innerhalb der Burg Osaka mit dem Lift in die 8. Etage bis zur
Aussichtsplattform zu fahren.
Leider fand mein Reisebegleiter die
Aussicht auf Samurai-Rüstungen und Waffen nicht ganz so spannend wie
ich und hat verweigert. Das Bier auf der gegenüberliegenden Terrasse
des neugotischen Restaurantkomplexes war dann auch nicht schlecht 😉
Und schon wieder abgeschweift. Dabei
wollte ich doch von Himeji-jo erzählen. Auch Shirasagi-jo, „Burg
des Weißen Reihers“ genannt, wegen des weißen Verputzes. Selbst
der Fugenmörtel bei den Dachziegeln ist weiß. Und dank einer 2015
abgeschlossenen Restaurierung ist der Verputz derzeit auch wirklich
strahlend weiß. Die Anlage ist groß. Und hat durchaus uns von
unseren Burgen wohlbekannte Attribute. Umlaufender Wassergraben und
hohe Festungsmauern. Diese leicht schräg und an den Ecken eher
spitze Winkel (hat mich ein bisschen an Renaissancebefestigung
erinnert, zu der es zeitlich auch gut passen würde). Mehrere Tore
rundum. Dann ist man im äußeren Burgbereich. Der ist heutzutage als
Park angelegt. Wie weit das früher auch so war, kann ich nicht
sagen. Vermutlich früher eher ein Arbeits- und vor allem
Übungsbereich. Jedenfalls haben wir hier auch wieder Unmengen an
blühenden Kirschbäumen mit beglückt davon Fotos schießenden
Japanern vorgefunden. Es ist immer noch schön 🙂
Der innere Burgbereich, durch weitere
Tore erschlossen, ist wiederum in mehrere Höfe unterteilt.
Eigentlich ist es ein veritables Labyrinth aus Höfen, Gängen und 21
Toren. Das Feinde, sollten sie jemals soweit kommen, verwirren
sollte. Was nie bewiesen werden musste. Es gab einen extra Hof, den
westlichen Burghof (nishi-no-maru) mit einer langen Galerie (die
wirklich lang war) und ein paar Türmen. In der langen Galerie wurde die
Geschichte der Burg beschrieben, Besitzer usw. Aber auch die in Japan
wohlbekannte Geschichte der Prinzessin Sen. Und handwerkliche
Ausführungen zum Bau der Burg. Holzverbindungen, Putzarbeiten oder
eher Gipsarbeiten, Mauergefüge, war alles sehr spannend. Und eine
interessante Holzverbindung gab es im Modell zum Anfassen und
Zusammenstecken.
Die Namen Toyotomi Hideyoshi und
Tokugawa Ieyasu tauchen hier auch wieder auf (Na, Exkurs Geschichte
gut gelesen? 😉 ). Ersterer hat 1581 einen dreistöckigen Hauptturm
gebaut, letzterer war der Großvater von Prinzessin Sen. Der heutige
Hauptturm (für den ich den englischen Begriff Keep fast passender
finde, da mehr als ein Turm) wurde von 1601-1609 gebaut. Der von
außen wie fünfstöckig aussieht, jedoch im Mauersockel ein
Untergeschoss und ein verstecktes Obergeschoss besitzt, also
eigentlich siebenstöckig ist.
Und aus einer ausgefachten und
verputzten Holzkonstruktion besteht. Im Inneren gibt es zwei hohe
Pfeiler, die vom Untergeschoss bis zum 5. Stockwerk reichen. Der
östliche Pfeiler ist gestückelt und gab wohl auch mal etwas nach,
so dass der ganze Turm sich zu neigen begann und man versteckte
Unterstützungen einbaute, um ein Zusammenbrechen zu verhindern.
Außerdem zu sehen sind Verteidigungsanlagen wie Plattformen, von
denen Steine auf Angreifer geworfen werden konnten, und leider leere
Waffengestelle.
Auf jeden Fall eine äußerst
beeindruckende Anlage. Die das UNESCO Weltkulturerbe verdient. Die
Listung als erste japanische Welterbestätte hat Himeji 1993 erhalten
als Repräsentant der Japanischen Hölzernen Burgkonstruktion.
Vor der von 2009 bis 2015
stattgefundenen Heisei Ära Restaurierung gab es bereits die Meiji
Ära Restaurierung von 1910/11 und die Showa Ära Restaurierung, die
1934 begann und 1950 wieder aufgenommen wurde. 1945 wurde die Stadt
Himeji durch zwei Bombardierungen quasi dem Erdboden gleich gemacht,
Himeji-jo bleibt wunderbarerweise stehen. Es gibt ein Foto, auf dem
die Burg über einem Trümmerfeld thront.
Bei der 2,4 Milliarden Yen teuren
Heisei Restaurierung wurden unter anderem die Dächer des Hauptturms
erneuert, der weiße Verputz neu geweißt bzw. im 5. Geschoss
komplett ausgebessert, kaputte Bodendielen und Fenster wurden
repariert oder ersetzt und die Pfeiler verstärkt, um sie
erdbebensicher zu machen. 15.000 Arbeiter waren damit beschäftigt.
Die Putzausbesserungen wurden mit einer 3cm dicken Lage aus weißem
Putz vorgenommen. Dieser Putz wurde nach einer traditionellen Methode
hergestellt und besteht aus gelöschtem Kalk, Muschelasche,
Hanffasern und Algen.
Außerhalb der Burg, aber gleich
daneben, gab es dann noch mit einem Kombi-Ticket die ehemaligen
Samurai-Quartiere zu sehen. War jedenfalls im Reiseführer so
beschrieben. Die entpuppten sich dann als gar nicht so kleine
Gartenanlage mit neun unterschiedlichen abgeschlossenen Gartenräumen.
Die Koko-en genannte Gartenanlage wurde allerdings 1992 wirklich auf
den archäologisch ausgegrabenen Samurai-Häusern und Straßen von
Nishi-Oyashiki im Stil der Edo-zeitlichen Gartenanlagen (1600-1868)
errichtet.
Da Himeji nur als Zwischenstop zwischen
Kyoto und unserem nächsten Quartier in Okayama eingeplant war und
die Stadt vermeintlich nicht mehr hergab, sind wir am frühen
Nachmittag mit dem Shinkansen gleich weitergefahren. Dass Himeji auch
ein von Ando Tadao gebautes Literaturmuseum aufweisen kann, habe ich
erst einige Tage später zu spät mitbekommen. Da hatten wir dann
recht viel Ando Tadao, aber dazu später mehr. Noch sind wir immer
noch bei den Burgen und auch Parks. Okayama-jo ist das Gegenteil von
Himeji-jo. Zwar nicht in der Form, die ist ähnlich. Aber nach
Zerstörung in WK2 wie schon erwähnt 1966 in Stahlbeton
rekonstruiert und außerdem schwarz statt weiß. Was ihr den Namen
U-jo, Krähenburg, eintrug.
Auf einer Insel im Fluss gleich bei der
Burg und diese als geborgte Kulisse einbeziehend, befindet sich mit
Korakuen einer der „drei berühmten“ Gärten Japans. Ein
klassischer Wandelgarten, 1700 vollendet. Er war die erste Anlage
Japans mit weitläufigen Rasenflächen.
Ursprünglich wurde der Garten vom
residierenden Daimyo zur Erholung und zur Unterhaltung wichtiger
Gäste genutzt. Das gemeine Volk hatte nur an gewissen Tagen Zugang.
1884 ging der Garten in den Besitz der Okayama Präfektur über und
wurde für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Überflutungen
haben 1934 dem Garten ebenso zugesetzt wie WK2-Bombardierungen, er
wurde jedoch anhand von Edo-zeitlichen Zeichnungen und Diagramen
wieder restauriert. Und wir haben das meiste davon dann noch gesehen,
bevor er um 18 Uhr geschlossen hat 🙂
Sonst war Okayama ja eher mau. Und
überraschend leer. Hungrig nach einem langen Tag und vom Park wieder
Richtung Innenstadt und Bahnhof gehend, haben wir nach etwas zu essen
Ausschau gehalten. Freitag Abend, und alles hatte gerade eben
geschlossen, oder überhaupt zu. Das ist eh so eine Sache, die
Öffnungszeiten. Es ist schwer begreifbar, warum Cafés in der Nähe
von Sehenswürdigkeiten zur exakt gleichen Zeit zumachen wie die
Sehenswürdigkeiten selbst, wenn nicht sogar schon früher. Und die
Sehenswürdigkeiten machen früh zu. Die meisten Tempel bisher (und
auch die Museen, deren Öffnungszeiten wir nachgeschaut haben)
schließen um 16:30, einige sogar schon um 16 Uhr, einige wenige um
17 Uhr, gang ganz selten mal um 18 Uhr. Nicht viel Zeit also, um das
Programm durchzuziehen. Und wenn man dann danach ausgehungert und
geschlaucht nach gemütlich sitzen und einem Kaffee giert, steht man
vor verschlossener Tür. Auch bei vielen Geschäften ist um 17 Uhr
oder 18 Uhr Schluss. Außer in den Shopping Malls, die haben zumeist
bis um 20 Uhr geöffnet. Aber auch dort nicht alle. Und viele
Restaurants schließen um 21 Uhr, oder 22 Uhr. Das Zeitfenster, am
Abend etwas zu essen zu finden, ist also nicht allzu groß. Hat aber
den Vorteil, dass man früh wieder im Hotel ist 😉
Die Restaurants, die länger geöffnet
haben, gibt es garantiert, nur sind die für der Sprache und der
Schrift unkundige eher schwer zu finden. Und in viele kommt man
anscheinend auch nur mit Einladung oder als Nicht-Japaner sowieso
nicht rein. Mal davon abgesehen, dass es auch Restaurants und Bars in
den oberen Stockwerken der Gebäude gibt.
Und damit wären wir wieder in Okayama.
Ernüchtert durch leere Straßen und geschlossene Lokale (dass es an
anderer Stelle sehr wohl Leben gibt, wussten wir da noch nicht), und
weil der Name so nett klang, haben wir die nicht sehr ansprechende
Stiege in den ersten Stock zu Lily´s Diary erklommen. Und haben
einen Volltreffer gelandet. Es war nicht nur nett eingerichtet,
sondern bot auch Craft Beer. Richtige Mahlzeiten gab es zwar leider
nicht, sondern „nur“ Snacks zum Bier dazu. Die waren aber so gut
und reichlich und außerdem so liebevoll angerichtet, dass wir
tatsächlich satt wurden. Nachdem wir die Sprachhürde gemeistert
hatten. Die junge Frau hinter der Theke konnte nämlich kein
Englisch. Und die Speisekarte hatte keine Fotos. Mit Händen und
Füßen und dem Schrifterkennungs- und
Japanisch-Englisch-Übersetzungsprogramm am Handy haben wir uns dann
einigermaßen verständigt und zurechtgefunden. Und haben gut
gewählt. Irgendwann kam dann noch ein junger Mann, und der konnte
dank eines Auslandsjahrs in England auch einigermaßen englisch. Die
beiden sind nicht nur total lieb, sondern auch miteinander
verheiratet und haben das Lokal noch nicht lange geöffnet. Und es
wäre ihnen zu wünschen, dass es noch mehr Leute finden. Die Auswahl
an Craft Beer war übrigens ausgezeichnet, wenn auch klein. Ebenfalls
ausgezeichnet und mit größerer Auswahl war die im 2. Stock gelegene
Craft Beer Bar des nächsten Abends, das Beer Island. Und wieder mit
ausgezeichnetem Essen, diesmal auch mit warmen Mahlzeiten. In der
Hinsicht hat sich Okayama also ausgezahlt 😉
Und weil die durchaus berechtigte Frage
kam, warum man ausgerechnet nach Okayama fährt: Von dort ist es
nicht weit bis zur vor Okayama gelegenen Insel Naoshima. Und auf der
wiederum befindet sich die Benesse Art Site. Die einen eigenen
Artikel bekommt.
Ebenso wie die vor Hiroshima gelegene
Insel Myajima mit ihren Tempeln und Schreinen.
Dafür packen wir hier Osaka noch mit
rein. Weil es gerade so gut passt zum Burgenthema.
Obwohl eh weiter vorn schon alles zu
lesen ist, was wir zur Burg Osaka sagen können. Außer dass sie
schwarz und weiß ist.
Osaka ist außerdem die Stadt der
Händler. Und hat mit Dotombury im Süden der Stadt eine schrille und
dank Werbetafeln bunt beleuchtete und blinkende Einkaufsmeile zu
bieten. Und das wars dann auch schon. Zumindest für uns.
Wir sind dann mit Shinkansen und
Lokalbahn und Bus und 3x umsteigen über Tokyo vom Südwesten der
Hauptinsel Honshu nach Nordosten gefahren, nach Nikko. Auch davon
später mehr, dieser Beitrag ist lang genug geworden.
Heike
Alle Weltkulturerbe anschauen. Das wär was für die Pension und für die des nächsten Lebens.