Tag 4 – Kyoto

Tempel en masse in Kyoto

Drei Tage später und wir sind
hoffnungslos hinterher mit dem Programm. Es gibt einfach soviel zu
Schauen, dass wir immer wieder abgelenkt werden. Und ziemlich sicher
sind wir einfach hoffnungslos langsam. 😉

Den Ausflug nach Nara haben wir
schweren Herzens gestrichen. Keine Hirsche im Park und
Riesen-Buddha-Statue. Heben wir uns für den nächsten Besuch auf 😉

Dafür haben wir den Philosophenweg
gleich am nächsten Tag doch noch geschafft. Allerdings sonst nichts
mehr, die nördliche Tempelgruppe unserer Vorab-Planung am gleichen
Tag war illusorisch, nix mit Silberner und Goldener Pavillon am
gleichen Tag. Kommt davon, wenn man sich bereits am Hinweg ablenken
lässt. Da unsere erste Unterkunft in Kyoto kein Frühstück bietet
(dafür hätten wir eine Kochnische im Appartement, aber wir wollen
ja schließlich auch beim Essen die Japan-Erfahrung), haben wir am
Weg hin zum Philosophenweg nach einem uns genehmen Café Ausschau
gehalten und sind letztendlich einem Wegweiser zum Murin-an Café
gefolgt.

Das war dann komplett anders als
erwartet. Murin-an war das Wohnhaus eines Generals der Meiji-Ära
(oje, japanische Geschichte, da muss ich selbst nochmal nachlesen.
Extrem verkürzt: Die Meiji-Restauration war zusammen mit der Öffnung
Japans Ende des 19. Jahrhunderts). In einem großen japanischen
Garten befindet sich neben dem traditionellen japanischen
zweistöckigen Holzhaus und einem Teehaus noch ein ebenfalls
zweistöckiges Haus westlichen Stils, in dessen oberem Stockwerk 1903
eine wichtige politische Konferenz stattfand. Deshalb wurde die
Anlage gleich nach Übergang von der Familie an die Stadt Kyoto
(1953) als Monument öffentlichen Interesses eingestuft. Die
Gartenanlage enthält laut Infoblatt ebenfalls westliche Elemente,
vermutlich ist damit die Rasenfläche gemeint. Jedenfalls war es
schön ruhig, man konnte im Erdgeschoss bei geöffneten Schiebetüren
auf den Tatamimatten sitzen und Tee trinken. Leider waren das dazu
gereichte Zuckerl nicht wirklich magenfüllend, weshalb wir zwar um
Wissen und einen wirklich schönen Garten bereichert, aber immer noch
ziemlich hungrig das letzte Wegstück zum Philosophenweg in Angriff
nahmen. Und uns diesmal nicht von den paar Tempeln am Weg ablenken
ließen. Schließlich kann man nicht alles ansehen.

Was uns dann letztendlich doch vom Weg
abbrachte bzw. aufhielt, war unser knurrender Magen. Der fand das auf
Tempelgrund des ignorierten Nanzen-ji (ja, bis dahin waren wir
konsequent) liegende Restaurant und das angepriesene Tofu-Set äußerst
ansprechend, und da wir neugierig waren, wie man ein ganzes Menü aus
Tofu variieren kann, sind wir rein. Das war dann auch gleich unsere
erste Erfahrung mit einem eher traditionellen japanischen Restaurant.
D.h. bei der deutlich erkennbaren Stufe Schuhe aus (und hier in
Schließfächer eingesperrt), dann rauf in den oberen Stock und es
sich an den niedrigen Tischen auf den auf den Tatami-Matten
verteilten Kissen einigermaßen gemütlich machen. Den traditionellen
Fersensitz sieht man zum Glück selbst die wenigsten Japaner
zelebrieren, zumeist wird leicht versetzt oder im Schneidersitz
gesessen. Trotzdem für uns ungeübte bei längerem Sitzen eine
Herausforderung. Zum Essen selbst kommt an anderer Stelle mehr, wir
haben einen extra Post zum Essen angefangen, der demnächst mal hier
aufscheinen wird.

Schlussendlich haben wir den
Philosophenweg dann wirklich geschafft. Mit einem kleinen Umweg über
drei Tempel. Von denen nur der eine, von dem wir dachten, dass er
geschlossen ist, Honen-in, auf war. Genauer gesagt, der Tempel war
wirklich zu (nur zweimal im Jahr, Anfang April und im Herbst, für
jeweils eine Woche geöffnet), aber die Gesamtanlage mit Garten war
zu besichtigen. Während bei Reikan-ji und Anraku-ji bereits beim Tor
Ende war. So waren wir wenigstens schneller bei Ginkaku-ji, das ist
der mit dem Silbernen Pavillon.

Ginkaku-ji (oder auch Jisho-ji) ist
einer der 14 buddhistischen Tempel und Shinto-Schreine, die 1994
zusammen mit 3 anderen in den benachbarten Städten Uji und Otsu zum
UNESCO-Welterbe Historisches Kyoto (Kyoto, Uji und Otsu)
erklärt wurden. Was sich dann auch in der Zahl der Besucher
niederschlägt. Waren sonst schon zumeist nicht wenige Besucher bei
den Tempeln, waren dort Massen. Was verständlich ist, die
Gartenanlage ist wirklich sehr schön und hebt sich nicht nur durch
den sog. Silbernen Pavillon (der nie seine eigentlich geplante
Silberhülle bekam) von den anderen ab.

Und wie bei allen Gartenanlagen mit
Besuchermassen wird man über ein Einbahnsystem auf genau
gekennzeichneten sehr schmalen Wegen durch den Garten geführt. Sehr
niedrige Absperrungen kennzeichnen die Bereiche, die nicht betreten
werden dürfen (eigentlich eh alles außer den Wegen), und
abgesperrte Wege erkennt man zumeist am horizontalen Bambusstab. So
wird man aber auch zu allen Highlights der Gartenanlage geführt. Und
der japanische Garten lebt ja sehr von Szenerie und Blickwinkeln. Und
Symbolik. Die wir uns noch nicht erschlossen haben. Eigentlich hätte
eine kurze Einarbeitung in japanische Gärten, ihre verschiedenen
Typen und die Symbolik gut getan. Mit unserem rudimentären Wissen
bemerken wir das meiste wahrscheinlich gar nicht, rennen also
bildlich gesprochen mit Scheuklappen durch.

Leider war es danach schon wieder zu
spät, um noch ein Stück Richtung Westen zu der Ansammlung von
Tempeln im Norden Kyotos zu fahren und nach dem Besuch des Silbernen
Pavillon gleich noch den Goldenen Pavillon dranzuhängen. Ungünstig
für den Zeitplan, machen die meisten Tempel nämlich bereits um
16:30, spätestens 17 Uhr zu. Und das war mit dem Bus realistisch
einfach nicht mehr zu schaffen, hätten wir doch mind. 40 Minuten,
jedoch eher eine Stunde gebraucht. Sind wir halt noch ein bisschen
mehr zu Fuß gegangen. Und zwar ein gutes Stück bis zu einer
Sake-Brauerei. Beim Öffis recherchieren am Stadtplan entdeckt und
spontan beschlossen, dass jetzt mal das „Geistige“ Vorrang hat
😉

Und wir wurden nicht enttäuscht. Ein
relativ kleiner Familienbetrieb in einem Wohnblock, mit interessanten
Sorten Sake. Leider nicht ganz so trocken wie wir das sonst gerne
haben. Was typisch sei für Sake aus Kyoto, wurde uns erklärt, und
wiederum mit dem weichen Wasser zusammenhängt.

Beschlossen haben wir den Tag dann mit
einem Spaziergang durch ein paar malerische Gässchen mit
traditionellen alten Holzhäusern (die zumeist sehr teure Restaurants
beherbergen) und, wie kann es anders sein, blühenden Kirschbäumen
am Kanal. Und mit Sushi 🙂

Heike

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