Neujahrsspaziergang mit brandenburgischem Allerlei und einem Rundling

Seit vielen Jahren begehen wir den Jahreswechsel gemeinsam mit den Bamberger Freunden. Entweder bei ihnen oder bei uns. Zum kürzlich erfolgten Jahreswechsel allerdings wurden die Freunde schon Monate vorher von anderen Freunden eingeladen. Aber oh Freude, wir wurden kurzerhand mit eingeladen. So kam es dass wir nach den Feiertagen bei meiner Familie in der Oberpfalz nicht wieder zurück nach Graz fuhren, sondern noch weiter nach Norden nach Brandenburg. Genauer in ein Dorf in der Gemeinde Wusterhausen/Dosse im Landkreis Ostprignitz-Ruppin. So fand der ebenfalls schon traditionelle Neujahrsspaziergang mit den Freunden nun in etwas größerer Runde in und um Nackel statt. Genau genommen gibt es zum Monatsspaziergang im Januar 2025 nun ein fotografisches Potpourri aus drei Spaziergängen an Silvester und Neujahr.

Nach Tagen mit trübem Wetter und Nebel gibt es plötzlich einen Hauch von Sonne. Schnell, schnell für den Spaziergang rüsten, bevor sie wieder weg ist.
Waren wir wohl nicht schnell genug. Aber der Park ist auch ohne Sonne schön.
Und bietet allerlei Begegnungen. Mit Pilzen
Mit Schafen
und mit mystischen Gestalten.
Nackel liegt am Rande des Rhinluch, einer Niedermoorlandschaft. Auch am Dorfrand ist die Landschaft von Weiden, Wiesen und Entwässerungskanälen geprägt.
Während der gegenüberliegende Dorfrand Äcker und Streuobstwiesen aufweist.

Das Dorf hingegen bietet einiges an wunderbaren Details.

Und viele Gebäude, die eindeutig dem späten 19. Jahrhundert, der Gründerzeit, zuzuordnen sind. Wobei dieses Wohnhaus hier neben der ganz offensichtlichen Erneuerung des Daches inklusive Solaranlage eine nicht ganz so offensichtliche Veränderung erfahren hat. Es deutet nämlich einiges darauf hin, dass die mittlere Fensterachse ursprünglich der nunmehr verlegte Eingang war. Bis hin zu den Verfärbungen eines ehemaligen Vordaches und einer nun ebenfalls nicht mehr vorhandenen Eingangstreppe an der Ziegelfassade.

Und was hat es nun mit dem Rundling auf sich?

Das klärt sich im direkt an Nackel angrenzenden Dorf Läsikow. Denn das Dorf gilt als Runddorf. Ein Runddorf, auch Rundling genannt, ist eine dörfliche Siedlungsform, die im Gebiet des mittelalterlichen deutsch-slawischen Grenzraumes auftritt. Zumeist zur Frühzeit des Landesausbaus vom örtlichen Grundherrn in einem geplanten Vorgang angelegt, wurden die Rundlinge in Brandenburg oft erst im 14. Jahrhundert erwähnt und gehören dort somit in eine Zeit, als der hochmittelalterliche Landesausbau eigentlich bereits beendet war und in anderen Gegenden bereits die spätmittelalterliche Wüstungsperiode einsetzte. Charakteristisch ist, dass die Höfe sich sektorenförmig um einen runden bis leicht ovalen Platz gruppieren und es nur einen Zugang gibt. Jeder Hof hat somit direkt Anschluss an seine Feldflur. Beim klassischen Rundling sind die Häuser giebelständig zum Platz ausgerichtet, für den zur Zeit der Anlage keine Kirchen belegt sind. Auch das ist in Brandenburg und hier in Läsikow anders. Zunächst sind die meisten der brandenburgischen Runddörfer bereits stark überformt und haben die Form eines Sackgassendorfes angenommen. Also eines Dorfes, bei dem mangels weiterer Entwicklungsmöglichkeit aufgrund der runden Form bereits die Seiten des Zugangsweges mit weiteren Höfen besiedelt sind. Der Platz hat dann eher Tropfenform, mit einer Spitze am Zugang. Und es wurden wie hier in Läsikow zumeist Kirchen in der Mitte des Platzes errichtet. Strenggenommen handelt es sich also bei Läsikow um ein rundlingartiges Sackgassendorf. Aber wir wollen mal nicht so kleinlich sein, besonders ist die Dorfanlage allemal.

Gut erkennbar die spitze Tropfenform des zentralen Platzes mit der auf einer künstlichen Erhöhung liegenden Kirche. Auch gut erkennbar ist, dass die Häuser der Gehöfte kaum wie üblich giebelständig, sondern zumeist traufständig zum zentralen Platz angeordnet sind.
Und aus der Gegenrichtung, von Süden in Richtung des im Norden liegenden Zugangs fotografiert. Auch hier ist die leichte Erhöhung zur Kirche erkennbar. Und wieder fallen mir die großen Eichen auf, wie bereits einige Male auf unserer Fahrt durch die ehemalige Mark Brandenburg und bei unseren Spaziergängen.

Ebenso auffällig sind die Wohnhäuser. Denn sie wirken eher wie kleine Vorstadtvillen denn wie klassische Bauernhäuser. Zumindest für die in der bayrischen städtebaulichen Denkmalpflege geschulten Augen der Freundin, die mir als am gleichen Thema Interessierter damit natürlich einen Floh ins Ohr setzt. Also habe ich mal ein bisschen recherchiert. Es scheint, als hätte nach 1860 und vor allem nach der Reichsgründung 1871 ein starker Aufschwung eingesetzt. Der neue Wohlstand manifestierte sich in den Wohngebäuden. Denn wer es sich leisten konnte reparierte und ergänzte nicht mehr wie bisher, sondern riss ab und baute neu. Das nunmehrige Repräsentationsbedürfnis wurde in mal mehr mal weniger prächtige Schaufassaden in Putz und Stuck umgesetzt.

All dieses Wissen habe ich mir natürlich nur angelesen und auch nur in stark verkürzer Form wiedergegeben. Zur Vertiefung hier meine Quellen: Zuallererst natürlich Wikipedia, wo es nützliches Wissen zum Thema Rundling und auch zum Rhinluch und den Dörfern Nackel und Läsikow gibt. Und dann habe ich noch einen sehr interessanten und ausführlichen Artikel zur Dorfentwicklung in Brandenburg gefunden, komplett mit Glossar und weiterführender Literaturliste. Da werde ich mich demnächst wohl noch weiter darin vertiefen.

Und wir sind wieder am Ausgangspunkt unseres Spaziergangs, der Dorfkirche von Nackel, angelangt. Die ist übrigens im Kern ein spätgotischer Feldsteinbau mit polygonalem Abschluss und deutlichen Merkmalen mehrerer späterer Ergänzungen und Wiederaufbau nach großen Schäden im 30-jährigen Krieg. Westjoch und Turm stammen wie die seitlich angebaute Herrschaftsloge vermutlich aus dem 18. Jahrhundert. Die kleine Eingangshalle wurde 1881 angebaut.

Somit bleibt mir nur noch den erweiterten Neujahrsspaziergang zum Monatsspaziergang im Januar 2025 zu schicken. Der ja nun nicht mehr bei Kristina Schaper, sondern ab jetzt bei 3hefecit.eu zu finden ist. Für alle, die es noch nicht wissen, dort bin auch ich für den Inhalt verantwortlich. Dort sogar ganz alleine, während dieser Blog hier theoretisch vom Besten und von mir bestückt wird. Manchmal kommt der Beste sogar zu Wort, allerdings eher selten. In diesem Sinne bis zum nächsten Mal, es war mir wie immer eine Freude!

8 Kommentare zu „Neujahrsspaziergang mit brandenburgischem Allerlei und einem Rundling“

  1. Pingback: Monatsspaziergang im Januar 2025 – 3hefecit.eu

  2. Du warst in Brandenburg, allein das hat gereicht um hier nachzulesen. Krass, da habe ich etwas gelernt über mein Bundesland. Noch nie von Runddörfern gehört oder gelesen, könnte allerdings behaupten, dass in meiner Gegend so eine Art nicht vorkommt. Eichen oh ja, eine steht direkt vor unserer Tür und bei jedem Sturm beobachtet wir bangend die alten knorrigen Äste und hoffen sie überstehen den Sturm.
    Liebe Grüße euch Zweien, Birgit

    1. Wieso habe ich dich eigentlich im Südwesten Deutschlands verortet? Mein Fehler, hätte ich mal in dein Impressum geschaut. Und natürlich habe ich gleich nach deinem Ort gesucht. Und gleich mal ein paar Gebäude gesehen, die mir gefallen könnten. Die brandenburgischen Runddörfer sind wohl nur in der Prignitz zu finden. Obwohl ich mich ja beruflich auch das eine oder andere Mal mit historischen Siedlungsformen befasst habe, waren die Runddörfer für mich ein Novum. Ich habe also auch einiges gelernt. Und auch Brandenburg kenne ich leider kaum. Obwohl ich seit einer praktischen Seminarwoche in Städtebaulicher Denkmalpflege im Februar 2003 in der Stadt Brandenburg immer mal wieder in die Gegend dort will. Nachdem nun auch der Beste gesehen hat, wie schön es selbst im trüben Wintergrau dort ist, wird es vielleicht doch endlich mal was 🙂 Eine Eiche als Hausbaum ist schön, auf der Hauswiese meines Bruders steht auch ein sehr schönes Exemplar. Von dem ich auch noch die wirklich schönen Fotos im Raureif zeigen muss 🙂
      Liebe Grüße, heike

  3. es ist mir ganz neu, dass es auch in brandenburg rundlingsdörfer gibt/gab. ich kenne ja seit urzeiten die rundlingsdörfer im niedersächsischen wendland, die wir oft durch radtouren erkundet haben. dort kann man in einigen dörfern die rundlingsform fast noch ursprünglich erleben.
    schöne fotos hast du wieder dabei. ich mag die einsame kuh, die schafmama mit ihren lämmern, die pilze, die mystischen gestalten, die alten gemäuer. du hast einfach den blick für wunderbare details!
    vielen dank übrigens, dass du den monatsspaziergang übernommen hast. das freu mich wirklich sehr!
    liebe grüße von mano

    1. Beim Rundling findet man natürlich auch als allererstes die Runddörfer im Wendland. Das sind die erwähnten klassischen mit giebelständigen Hallenhäusern. Die brandenburgischen sind nicht nur erst später entstanden, außer dem einzigen Zugang gibt es quasi nur Abweichungen von den klassischen Merkmalen dort. Oh, es gibt so viele Gegenden, die ich noch gerne erkunden möchte…
      Die Kuh war gar nicht so einsam, nur fotowirksam weit genug von der Herde entfernt 😉 Ich habe eine kurze Nachdenkphase gebraucht, aber dann war mir klar, dass es schade wäre den Monatsspaziergang nicht weiterzuführen.
      Liebe Grüße, heike

  4. Auch hier wieder (wie Mano auch schrieb) Dein besonderer Blick auf Details.
    Ich liebe ja Mauern, die mit unterschiedlichen Materialien gebaut bzw ausgebessert wurden.
    Es ist ja doch oft so, dass Wohnhäuser, deren Eingangstür zur Straße ging, selbige versetzt haben. (also natürlich ihre Bewohner) Es ist einfach anders mit so viel Verkehr und anderen Lebensgewohnheiten.
    Und da sind ja schon recht große Lämmer. 😊
    hab einen schönen Sonntag noch und liebe Grüße
    Nina

    1. Für mich ganz besonders ist natürlich das ganze Sichtziegelmauerwerk. Das gibt es im Süden Deutschlands und in Österreich nur vereinzelt bei gründerzeitlichen und etwas späteren Bauten. Und diese sichtbaren Ausbesserungen finde ich auch immer wieder faszinierend. Die Geschichte des Gebäudes, am Mauerwerk ablesbar. Verkehr war auf dieser Dorfstraße eher nicht das Thema 😉 aber du hast natürlich recht. Aber siehe oben, ablesbare Geschichte, ich mag das.
      Die Lämmer werden immer gleich groß bleiben, sind sie doch nur zweidimensional. Was zugegebenermaßen am Foto wirklich nicht leicht zu erkennen ist.
      Liebe Grüße, heike

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner